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Unsere Kolumnistin Madlen Faupel

© Mike Wolf

Zu Papier gebracht: Flirt-Apps: „Tinder“ lässt das Herz entscheiden

Die Flirt-App Tinder ist offenbar nicht nur an reinen Beziehungen interessiert. Jetzt geht's ans limbische System.

Liebe mit einem Herzschlag finden - die Digitalisierung macht es möglich. Nun wurde bekannt, dass eine neue Version der beliebten Dating-App „Tinder“ für Smart-Watches entwickelt wurde, die auf die Herzfrequenz des Uhrenträgers reagiert.

Das Prinzip von „Tinder“ ist einfach: der Nutzer bekommt Fotos von anderen Teilnehmern aus einem zuvor festgelegten Umkreis gezeigt. Durch einen einfachen Wisch auf dem Display nach rechts oder links entscheidet man dann über Gefallen und Nichtgefallen. Haben sich zwei Nutzer gegenseitig für gut befunden, ergibt das ein Match und die beiden können in Kontakt treten, um sich vielleicht sogar zu verabreden.

Die Entscheidung für oder gegen ein Foto übernimmt bei der neuen Version „Hands-Free Tinder“ nun der Herzschlag. Steigt dieser an, signalisiert das eine positive Reaktion, bleibt er gleich oder sinkt ab, dann wird der Vorschlag abgelehnt und das nächste Bild eingeblendet. Simples Verfahren ganz ohne lästiges Selbstentscheiden-Müssen.

Damit reduzieren die Macher das gelernte Funktionsschema der App auf eine einfache Reaktion des limbischen Systems. Die App misst damit nur die körperliche Reaktion, oder fragt anders ausgedrückt „Findet man sein Gegenüber körperlich anziehend?“. Nachdenken muss der Nutzer nicht mehr.

Kann eine App wirklich zuverlässig sagen, ob einem ein anderer Mensch gefällt?

Aber benötigen Entscheidungen in Liebesdingen nicht gerade Herz und Kopf? Kann eine App wirklich zuverlässig sagen, ob einem ein anderer Mensch gefällt? Es stellt sich doch die Frage, ob der Anstieg der Herzfrequenz tatsächlich immer auf Interesse am Gegenüber zurückzuführen ist. Negative Emotionen, Überraschung oder auch körperliche Aktivitäten können das Herz schneller schlagen lassen. Dabei könnte es zu peinlichen Situationen kommen: So nutzt vielleicht der eigene Chef die App und plötzlich hat man ein Match, weil beide überrascht waren, den anderen im „Tinder“-Universum zu finden. Ein interessanter Treff am nächsten Tag im Büro.

Apps wie „Tinder“ als solche schüren Zweifel an den reinen Absichten seiner meisten Nutzer. Nicht alle sind an Beziehungen interessiert. Der Dienst gilt als einfache Möglichkeit, schnell und einfach einen Sexpartner zu finden. Die Herzschlag-Funktion führt das Ganze nun nach Absurdistan. Primitive Triebe sollen in Zeiten der Digitalisierung offenbar ausreichen, um den Partner fürs Leben zu finden. Dabei fühlt sich der erhöhte Herzschlag, wenn man sich wirklich verliebt hat, doch so viel schöner an.

Madlen Faupel

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