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Nur mit Einladung: Ello spielt mit seiner Exklusivität.

© TSP

Zu PAPIER gebracht: Mein Freund und Störgeräusch

Der derzeitige Hype der Social-Media-Szene heißt Ello. Mit schlichtem Design, Werbefreiheit und Exklusivität will das Netzwerk Facebook Konkurrenz machen.

Ich wache auf – und es gibt Ello. Über Nacht hat es sich wie ein Virus unter meinen Facebook-Freunden ausgebreitet. Beim Blick auf die Timeline teilt mir locker ein Drittel von ihnen mit, vom bösen, blauen Datenkraken an einen sicheren Ort namens Ello abwandern zu wollen. Was in aller Welt ist Ello?, denke ich. Facebook aus, Küche, Kaffee kochen.

Doch Ello entkommt man nicht so leicht. Auf Twitter: überall Ello. SMS von Freunden: „Hast du Ello?“ Muss ich mir also doch anschauen. Mittlerweile habe ich herausgefunden, dass Ello ein neues soziales Netzwerk ist. Im Gegensatz zu Facebook gibt es dort keine Werbung und keine Datenfängerei. „Du bist kein Produkt“ – mit diesem Motto werben die Gründer um Social-Network-User, die sich vernetzen wollen, aber keine Lust haben, ständig geänderten Datenschutzbestimmungen hinterherzuklicken. Zudem braucht man eine Einladung, um beitreten zu können. Steigert die Exklusivität.

Die Idee, Facebook zu ersetzen, ist nicht neu. 2010 versuchte es Diaspora, 2011 startete Google Plus, 2012 app.net. Alle drei Netzwerke gibt es noch; keines konnte sich durchsetzen. Ello will das jetzt schaffen. Abgesehen von Datenschutz und Werbefreiheit mit minimalistischem Design. Könnte mir gefallen. Mein bester Freund, schon dabei, schickt mir eine Einladung. Mein „Invitation-Code“ ist „size-mouse-thinking“. Dann bin ich drin – mit einem Gefühl, als hätte ich mich am Berghain-Türsteher vorbeigedrückt. Das mit der Exklusivität wirkt schon mal.

Der Hilfebereich heißt "What the fuck", Freunde werden zum Störgeräusch

Ich sehe mich um und sehe: Nicht viel. Ein schwarzer Kreis mit weißem Grinsen, das Ello-Symbol. Weiter zu „What the Fuck“, so heißt der Hilfebereich. Ich beschließe, zunächst kein Bild hochzuladen. Stattdessen suche ich nach Kontakten. Das Netzwerk wurde für Kreative gegründet, das merke ich jetzt auch. Ich finde vor allem Kollegen. Hakan von der „SZ“, Quentin vom „Superpaper“. Mit ihnen bin ich auch auf Twitter und Facebook verdrahtet. Was hat Ello also für Vorteile?

Ello hat keine Post-Beschränkung auf 140 Zeichen. Jeder kann schreiben, so viel er will. Anstatt Kontakte auszublenden, werden sie sortiert, in die Schubladen „Friends“ und „Noise“. Unter „Noise“ ordnet man Personen ein, die man nicht verbannen will, deren Posts man aber nicht sehen mag. Niemand weiß, wer wen wohin gepackt hat. Praktisch. Ich degradiere erstmal niemanden zum „Störgeräusch“.

Ansonsten geht noch nicht viel. Ello ist in der Beta-Phase. Ob Datenschutz und Werbefreiheit danach so bleiben wie versprochen, ist fraglich: Eine Risikokapitalgesellschaft hat vor kurzem in Ello investiert. Und obwohl ich schlichtes Design mag, ist Ello für meinen Geschmack arg reduziert geraten. „Schlichtheit“, lerne ich vom besten Freund, „ist das neue ,Bazinga‘.“ Genau wie dieser gehypte „Big Bang Theory"-Spruch ist mir auch der Hype um Ello ein bisschen suspekt.

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