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Industrie 4.0 und die Frage: Was soll das überhaupt sein?

© dpa

Zu PAPIER gebracht: Punkt Null

Was früher durchnummeriert wurde, hatte Ordnung und Struktur. Begriffe wie Web 3.0 oder Industrie 4.0 sind aber eine Unsitte: Alles, wozu einem nichts mehr einfällt, wird künftig "gepunktnullt".

Nummerieren ist grundsätzlich immer gut. Das schafft Ordnung und Struktur, stellt Reihen- oder Rangfolgen her, macht übersichtlich. Was durchnummeriert ist, hat irgendwo seinen Platz. Auf den Ersten folgte der Zweite Weltkrieg, in Frankreich reihen sich die Republiken aneinander, in Königshäusern und beim Vatikan versieht man die Namen der obersten Befehlshaber mit römischen Ziffern. Das macht auf augenfällige Weise alles Sinn. So analog betrachtet jedenfalls.

Heute ist aber digital, und das wirkt sich auch aufs Nummerierungswesen aus. Statt erstenszweitensdrittens oder I., II., III. wird gepunktnullt. Und damit ist die ganze Ordnung ein Stück weit hin. So jedenfalls der Eindruck vom Spielfeldrand der Digitalidioten, der Nullen ohne Punkt sozusagen.

Das Web 2.0 folgte auf Web 1.0. Mittlerweile gibt es Web 3.0 und Industrie 4.0

Zu uns drang als Erstes die Kunde vom Web 2.0, was das Internet von Blog und Twitter und Facebook zusammenzufassen schien, die smartphonebetriebene Jeder-kommuniziert-mit-jedem-Dauerschleife. 2.0 also als Aufbruch in die vernetzte Welt. Das haben wir verstanden. Dass das Internet davor, auch das Homepage-Internet genannt, folglich das Web 1.0 gewesen war, wurde uns erst nachträglich klar, und das war dann ja auch gleich wieder egal, weil überholt.

Inzwischen ist auch vom Web 3.0 die Rede. Was mutmaßlich das beschreibt, was noch viel komplexer ist als die Vernetzung, was auch immer das ist. Und mittenrein in diese ohnehin undurchsichtige Erweiterung des Punktnullwesens platzt die Nachricht, die Bundeskanzlerin unterstütze nunmehr nachdrücklich das Voranschreiten der Industrie 4.0. Mit einer Selbstverständlichkeit wurde das verkündet, als wäre zuvor bereits von den Industrien 3.0, 2.0 oder 1.0 die Rede gewesen. War dem so?

4.0 also jetzt. Was bedeutet das? Hat die Industrie das Web schon überholt? Gibt es womöglich gar schon ein Web 4.0, das längst über die 3.0-Version hinaus ist, das jenseits der Vernetzung auf Gold stieß und nur noch auf die Industrie wartet? Oder zählt hier jeder etwas anderes – und „Punkt Null“ mausert sich gerade zur Worthülse der modernen Zeit schlechthin? Alles, wozu einem nichts mehr einfällt, wird gepunktnullt und schon wirkt es aktuell, zukunftsgewandt, worldwidewichtig und einsortiert in einen antizipierten Lauf der Dinge.

Wir punktlosen Nullen vom Spielfeldrand tendieren zu dieser Meinung. Denn dass dieselbe Regierung, die nunmehr begeistert die Industrie 4.0 fördern will, es zuvor jahrelang nicht hinbekommen hat, für den Ausbau eines leistungsfähigen Breitbandnetzes im Land zu sorgen, haben wir schon mitbekommen. Und das führt dann auch zu der Frage, ob die Punktnullnummern überhaupt noch etwas mit echter Ordnung zu tun haben? Oder ist das nicht eher eine Ersatzhandlung im Stil des alten Prinzips von Alles-in-den-Schrank-stopfen-und-Tür-zu? Quasi Aufräumen 5.0?

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