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Sebastian Leber

© Mike Wolff

Zu Papier gebracht: Und täglich grüßt Pinocchio

Nun hat Samsung seine Strafe also tatsächlich an Apple bezahlt. 1,05 Milliarden Dollar wegen Patentverletzungen.

Nun hat Samsung seine Strafe also tatsächlich an Apple bezahlt. 1,05 Milliarden Dollar wegen Patentverletzungen. Gestückelt in Fünf-Centmünzen, herbeigekarrt mit 30 Lastwagen und ausgekippt direkt vor der Konzernzentrale der Konkurrenz. So behaupten es zumindest drei meiner Facebook-Freunde. Und obwohl ich ahne, dass die Geschichte nicht stimmt, also gefaked ist, stört es mich nicht weiter. Die Pointe ist zu gut, um nicht verbreitet zu werden!

Mein Verhältnis zur Wahrheit in sozialen Netzwerken hat sich verändert. Wo mich eine offensichtliche Lügengeschichte früher aufregte und quasi zwang, andere Nutzer zu warnen oder wenigstens ein belehrendes fake! in die Kommentare zu schreiben, kann ich sie heute gelassen hinnehmen. Einfach stehen lassen. Ich glaube, man nennt das Kapitulation.

Dass gelogene Online-Bilder, Texte und Videos heute so schwer zu entlarven sind, liegt nicht etwa an ihrer immer perfideren Machart, sondern vor allem daran, dass viele wahre Begebenheiten so unfassbar schräg klingen, dass man kaum noch unterscheiden kann. Einige Beispiele der jüngeren Vergangenheit: Der Witwer, der seine verstorbene Frau in einem gläsernen Fernsehtisch konserviert? Fake. Der Künstler, der seine tote Katze auf einen Modellbau-Hubschrauber gespannt hat und sie jetzt durch die Gegend fliegt? Echt. Lila Turnschuhe aus genetisch modifiziertem Stachelrochenleder? Wahrscheinlich fake. Das von einer Seniorin verschandelte Jesus-Gemälde? Echt. Der Hamburger Jungunternehmer, der auf einem Karrierenetzwerk die Dienstleistung „Diskrete Eliminierung von Personen zu fairen Konditionen“ anbot? Man weiß es nicht so genau. Ständig werden auch Prominenten-Tode behauptet, im August etwa die von Bill Cosby, Neil Armstrong und Russell Brand. Ergab eine Wahrheitsquote von 33 Prozent.

Massiv gelogen wird natürlich auch offline, immer schon und überall, im engsten Freundeskreis, in Beziehungen, auf Grabsteinen. Der Ideen-Durchlauferhitzer Internet aber hat es geschafft, dass Behauptungen so schnell an uns vorbeiziehen, dass gar keine Zeit mehr bleibt, um sie zu verifizieren oder zu widerlegen. Entpuppt sich eine Wahrheit nach einer Woche als fake, interessiert das niemanden mehr. Vor allem tut man sich selbst keinen Gefallen mit seiner Besserwisserei. Im Gegenteil: Man gilt gleich als Spaßverderber, als profiliersüchtiger Stinkstiefel. Ich will das nicht sein. Unter die Samsung-Lüge meines Bekannten schrieb ich: wie krass ist das denn bitte!

Angeblich darf man nicht mal mehr den Identitäten seiner Facebook-Freunde trauen. Schickt einer eine Nachricht, kann es nämlich gut sein, dass er es gar nicht selbst ist, sondern ein Fremder, der sich das Profilbild geklaut und damit ein eigenes Konto eingerichtet hat, um nun die Freunde des Geklonten zu veralbern. Das machen jetzt sehr viele, heißt es. Ich weiß allerdings nicht, ob diese Geschichte wahr ist.

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