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Astrid Herbold

© Thilo Rückeis

Zu PAPIER gebracht: Wer zu spät kommt …

„Ich finde das mit der SMS an die Eltern blöd“: Nicht nur unsere Kolumnistin Astrid Herbold wundert sich über ein elektronisches Klassenbuch.

An der Grundschule meiner Kinder gibt es neuerdings ein elektronisches Klassenbuch. Erprobungsphase, heißt es, wir sind die vom Senat auserwählte Schule. Es handelt sich um ein Tablet, das Lehrer und Erzieher jetzt immer bei sich haben. Man hat uns auf dem Elternabend versichert, dass das eine sehr praktische Sache sei. Die Lehrer wissen nun jederzeit, welches Kind welcher Arbeits- oder Teilungsgruppe angehört und welches Thema in welcher Unterrichtsstunde behandelt wurde. Man kann Links zu Lernmaterialien hinterlegen und Vertretungsunterricht besser koordinieren. Und die Daten liegen, versprochen!, passwortgeschützt auf einem Server des Berliner Senats.

Klingt nicht schlecht, fand ich. Anschließend bekamen wir einen Infozettel mit nach Hause zum Unterschreiben. Für das elektronische Klassenbuch werden auch die Namen der Eltern und deren Handynummern benötigt. Künftig sollen Fehlzeiten und Verspätungen digital verwaltet werden. Die Endgeräte der Lehrer werden mit dem Sekretariat vernetzt. Wenn ein Kind bis acht Uhr telefonisch krankgemeldet wird, sieht das der Lehrer bei Unterrichtsbeginn auf seinem Tablet. Ist das Kind nicht entschuldigt, sitzt aber auch nicht auf seinem Platz, wird automatisch eine SMS an die Eltern ausgelöst.

Bei einigen Eltern würden sich zu oft die Handynummern ändern

An dieser Stelle kam ich ins Grübeln: Wollen wir das überhaupt? Das elektronische Klassenbuch hat in den vergangenen Jahren schon für Negativschlagzeilen gesorgt. Manche Berliner Schulen lehnten die Erprobung aus Datenschutzbedenken ab, bei anderen geriet ausgerechnet der SMS-Versand, mit dem vor allem notorisches Schwänzen von Problemschülern schneller sichtbar gemacht werden sollte, zur kommunikativen Sackgasse. Bei einigen Eltern würden sich zu oft die Handynummern ändern, hieß es damals.

Wechselnde Handynummern sind eher nicht das Problem meines Bezirks. Wir haben hier in Mitte eher ein Helikopter-Problem. Noch die Viertklässler werden nachmittags von den Eltern aus dem Hort abgeholt. Unbeobachtete Freiräume gibt es wenige. Und jetzt also im Kleinen wieder das ewige digitale Dilemma: Sicherheit vs. Freiheit. Ist es nicht beruhigend, wenn man weiß, dass bei Nichterscheinen des Kindes in der Schule eine Nachricht kommt? Oder vernichtet das noch die letzten Rebellionsmöglichkeiten, die unsere hyperbehüteten Kinder haben? Meine Tochter, Sechstklässlerin, hat eine klare Haltung: „Ich finde das mit der SMS an die Eltern blöd.“

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