zum Hauptinhalt
So und so. Thomas Gottschalk klärt mit Ilse Aigner die Lage der Medien.

© dpa

Zukunft der Medien und Gottschalks Gegenwart: Ich weck dich auf, Baby

„Medientage München“ bewegen sich im Digitalen - und Thomas Gottschalk kämpft weiter mit E-Mails

Ausgerechnet so etwas Altmodisches wie eine Krawatte musste zur Eröffnung der Medientage in München als Sinnbild für die digitale Revolution herhalten. „Digitale Disruption – Medienzukunft erfolgreich gestalten“ lautete das diesjährige Motto, mit dem sich eine „Elefantenrunde“ unter Leitung von Thomas Gottschalk beschäftigte. Miriam Meckel, Chefredakteurin der „Wirtschaftswoche“, nahm die Krawatte als Beispiel für die wirtschaftliche Revolution, mit der demnächst 3-D-Drucker ganze Wirtschaftskreisläufe außer Kraft setzten, einfach weil der gestresste Manager, der seinen Binder vergessen habe, diesen demnächst am Hoteldrucker herstellen lassen könnte. Und Gottschalk schilderte, wie ein YouTube-Kanal ihm die Arbeit als Vater abnimmt: „ Mein Sohn lässt sich morgens im Bad von jemandem auf YouTube erklären, wie er den Krawattenknoten zu binden hat.“

Davon ist das lineare Fernsehen ganz, ganz weit entfernt, allerdings genauso weit wie von seinem immer wieder prognostizierten Ende, wie eine Phalanx aus Carsten Schmidt (Sky) über Wolfgang Link (Pro7Sat.1), Norbert Himmler (ZDF) bis zu Constantin-Chef Fred Kogel betonte. Schließlich auf die stets neue alte Weisheit, das es immer noch „content king“ sei. Natürlich war es ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler ein Anliegen klarzumachen, dass ein Video-on-Demand-Konkurrent wie Amazon Prime nur ein weiterer „Minimajor“ mehr sei, der nun auch in Los Angeles Serien gestalte. Und Wolfgang Link freute es, mitteilen zu können, dass die zweite Staffel der hochgelobten Netflix-Serie „House of Cards“ bei der Ausstrahlung im deutschen Free-TV eine nicht mehr messbare Sehbeteiligung erzielt habe.

An dieser Stelle bewies Thomas Gottschalk ungeahnten journalistischen Biss, als er seinen „Freund Norbert“ Himmler fragte, ob es nicht manchmal besser sei, statt auf die allgemeine Quote zu starren auch einmal Profil und Schärfe im ZDF-Hauptprogramm und nicht nur in dessen digitalen Ablegern zu zeigen. „Aber dann habt ihr davor Angst, dass es nur sechs Prozent Marktanteil“ gibt. Himmler befand sich schuldig im Sinne der Anklage, empfand sich selbst als „Dinosaurier“ und verwies immer wieder auf Jan Böhmermann.

Klar wurde auch, dass Sky seine Rolle in der medialen Zukunft noch nicht definiert hat. Der Verweis von Carsten Schmidt auf eine eigene Serie für 2016 und seinen geplanten Angriff auf die ARD-„Sportschau“ ist noch kein Programm. Für den Satz „In Deutschland nutzen 17 Prozent Pay TV, in Frankreich 76 und in England 53. Warum müssen die Deutschen immer hinterherhinken?“ erntet er bestenfalls Belustigung im Saal.

Handfester waren die Erwartungen von Ilse Aigner, Ministerin für Wirtschaft und Medien in Bayern, wonach in der digitalen Revolution „kein Stein auf dem andern“ bleibe, und sie gleichzeitig zu erkennen gab, dass nationale Regulierungen immer schwieriger würden. Für Gründer, die die Zukunft gestalten, stehe nun ein Digitalbonus von 20 Millionen Euro bereit. Wie die Zukunft aussehen könnte, schilderte Miriam Meckel: „Amazon wird uns demnächst Dinge bringen, die wir nicht bestellt haben, aber brauchen, und das nächste große Ding ist Neuromedia, die Verschmelzung von Neurowissenschaften und IT.“ Meckel selbst liest nur noch eine Zeitung und zwei Monatsmagazine auf Papier, den Rest auf dem Tablet. Und diese Inhalte von nervender Werbung zu trennen – das ist für sie die größte Herausforderung dieser Tage. Und Gottschalk? Der kämpft noch mit den Tücken einer ganz normalen Mail: Einer WDR-Redakteurin habe er jüngst sein Kommen avisiert mit dem Satz „Ich weck dich auf, Baby“ – ihn dann aber an seinen Sohn geschickt und der an die Mutter. Jörg Seewald

Jörg Seewald

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false