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Der CDU-Politiker Rainer Robra will bei ARD, ZDF und Deutschlandradio weiteren Einsparwillen sehen.

© picture alliance / Hendrik Schmidt

Zukunft von ARD und ZDF: "Wir erwarten unverändert neue Sparvorschläge"

Rainer Robra, Chef der Staatskanzlei und Medienpolitiker in Sachsen-Anhalt, wundert sich, dass ARD & Co. jede Einzelheit des Programms für sakrosankt erklären

Herr Robra, die Rundfunkkommission der Länder wollte von den öffentlich-rechtlichen Sendern weitere Sparvorschläge sehen. ARD und ZDF haben abgelehnt, weil in ihrer Sicht weitere Sparanstrengungen zu Einschnitten ins Programm führen. Wie reagieren die Länder auf diese Haltung?
Überrascht, weil in dieser Reaktion nicht die Erledigung des Auftrags steckt, den die Ministerpräsidenten den Intendanten erteilt hatten. Wir sind auch über die Art und Weise der Stellungnahme der ARD konsterniert, die kaum Spielraum erkennen lässt, doch noch in einen konstruktiven Dialog zurückzufinden.
Was lässt sich die Rundfunkpolitik bieten?
Die Ministerpräsidenten sollten die Intendanten um ein Gespräch bitten. Aus meiner Sicht ist es jetzt dringend geboten, um den Verantwortlichen der Sender zu verdeutlichen, dass der Dialog keineswegs am Ende ist. Als Termin kommt Mitte Juni, also vor der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz, infrage.
Welche Waffen werden für das Treffen gewählt?
Der Duktus der bisherigen Stellungnahmen von ARD und ZDF macht klar, dass das Gespräch in einer angespannteren Atmosphäre als bisher gewohnt stattfinden wird. Die Ministerpräsidenten erwarten unverändert neue Sparvorschläge, diese Agenda steht.
Wenn es zu Reduzierungen bei den Programmen kommen sollte, werden die Sender den Schwarzen Peter bei den Ministerpräsidenten platzieren. Unschön, oder?
Diesen Schwarzen Peter werden sich die Ministerpräsidenten ebenso wenig zuschieben lassen wie die Rundfunkkommission. Pro Tag werden etwa 2200 Stunden Programm in öffentlich-rechtlichem Hörfunk und Fernsehen produziert. Davon ist viel sehr ähnlich. Weniger kann mehr sein, das ist eine Volksweisheit, die sich schon in vielen anderen Zusammenhängen bestätigt hat. Ich wundere mich schon sehr, dass anscheinend jede Einzelheit des Programms für sakrosankt erklärt wird.

Die Sender können mehr sparen

Ist für Sie denn die Drohung der Programmkürzungen bei gleichbleibenden Etats glaubhaft?
Das ist nicht überzeugend. Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs hat eine ganze Reihe von Ansatzpunkten zum Sparen formuliert, die die Sender noch nicht erschöpfend abgehandelt haben. Durch die kategorische Verneinung jedweden Handlungsbedarfs schneidet man sich auch die Möglichkeit ab, das zu verifizieren. Die Sender sollten die Ansatzpunkte auf Cent und Euro prüfen. Es gibt eben weitere Kooperationsmöglichkeiten über ein gemeinsames Fußball-WM-Studio hinaus, über das sich ARD und ZDF ja wie Bolle freuen. Die Attitüde der Anstalten – wir können nicht sparen – wird insofern ja von den Anstalten selbst konterkariert.
Was ist denn das eigentliche Ziel der Rundfunkpolitik: nur ein stabiler Rundfunkbeitrag von monatlich 17,50 Euro ab 2021?
Es gibt zwei Kernanliegen und ein drittes, das speziellerer Natur ist. Zunächst muss die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausgebaut, muss er als das wichtigste Medium zur Meinungsbildung gestärkt werden.
Hat die Akzeptanz gelitten?
Es gibt das Phänomen Generationenabriss. Je jünger die Leute sind, und da meine ich schon über 50-Jährige, desto stärker nimmt die Bindung an die Öffentlich-Rechtlichen ab. Da bricht eine Flanke weg. Wir haben immer mehr Wählerinnen und Wähler, die nur noch eine politische Basisinformation von den Privaten bekommen – und das reicht einfach nicht.
Zweites Ziel der Rundfunkpolitik?
Dass die Rundfunkbeiträge nicht ins Unermessliche schießen. Das verzahnt sich mit dem ersten Punkt, der Akzeptanz. Nur wer die Angebote von ARD, ZDF und Deutschlandradio gerne nutzt, wird bereit sein, den gültigen Monatssatz von 17,50 Euro oder mehr zu bezahlen. Wer bei ARD und ZDF schon mit Marktanteilen von 17, 18 Prozent höchst zufrieden ist, der sollte wissen, dass in den Landtagen, die letztlich über eine Beitragserhöhung abstimmen, eine Zustimmungsquote von 50 Prozent plus x gefordert ist. Das ist immer wieder eine Vermittlungsaufgabe für die Öffentlich-Rechtlichen: Wir sind sparsam, wir sind kostenbewusst, wir machen dennoch gutes Programm, wir adressieren an alle Altersgruppen in angemessener Weise. Daran mangelt es momentan. Deshalb kommt die angekündigte Initiative zur Eigenwerbung in den Programmen zum richtigen Zeitpunkt.
Aktuell sieht es so aus, dass eine Mehrheit in den alten Bundesländern einen höheren Rundfunkbeitrag ab 2021 akzeptieren würde, eine Mehrheit in den neuen Ländern aber nicht.
Das ist der dritte und spezifische Punkt. Die Akzeptanz in den neuen Ländern ist nochmals deutlich geringer. Das liegt auch daran, dass viele Bürgerinnen und Bürger, die einen Großteil ihres Lebens in der DDR zugebracht und sich danach bewusst dem Aufbau der neuen Länder gewidmet haben, dass diese sich mit ihren Biografien, mit ihren Anliegen in den Programmen nicht angemessen wiederfinden.
Sie bleiben bei Ihrem Mantra: In der ARD läuft zu wenig Ostfernsehen.

Ich bleibe dabei, ja. In der ARD dringen die ostdeutschen Belange nicht ausreichend durch, weil die großen, meinungsbildenden Formate bei den Westanstalten geblieben sind. Der MDR hat die großen Unterhaltungsformate bekommen, das ist auch schön, das ist aber nicht das ostdeutsche Leben.
Sie wollen eine Ostquote im ersten und im zweiten Programm.
Nein, das will ich nicht. Aber ich höre aus dem MDR, dass die Mitarbeiter mit ihren Themen für „Titel, Thesen, Temperamente“ oder die „Tagesthemen“ nicht durchdringen. Ich höre inzwischen, das wird besser, was aber nicht heißt, dass es schon gut ist. Wenn man Akzeptanz haben will, kann man nicht ein Fünftel der Bevölkerung ausschließen.

Es ist schwer, ARD und ZDF gegen die AfD zu verteidigen

Machen Sie eigentlich Stimmung gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, weil der Kenia-Koalition in Magdeburg die AfD im Nacken sitzt?
Das ist nicht so, weil ich diese Thesen und Erwartungen schon länger formuliere. Ich betreibe dieses Geschäft seit 16 Jahren. Seit 2008 fordert mich der Landtag von Sachsen-Anhalt jedes Jahr auf, mich für Beitragsstabilität einzusetzen. Ich habe von der AfD noch nicht einen inhaltlichen Beitrag zur Rundfunkpolitik gehört, sondern nur den diffusen Vorschlag, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder dessen Finanzierung komplett abzuschaffen. Dass das, auch von der Verfassungslage her, nicht möglich ist, wurde dann eingesehen. Allerdings ist es schwer, in einer Veranstaltung mit Rechtspopulisten Beitrag und System zu verteidigen. ARD und ZDF und Deutschlandradio müssen dafür immer wieder Argumente liefern.
Stimmt die Beobachtung, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein öffentliches Thema geworden, das er früher nicht war?
Was neu ist und was auch mit dem unerschöpflichen Medienangebot aus dem Internet zusammenhängt, das ist doch die Frage: Brauche ich all das Öffentlich-Rechtliche noch? Alles, was mich interessiert und was ich brauche, das kriege ich doch erschöpfend online. Davon ist zwar nicht alles redaktionell verantwortet und qualitätsgesichert, andererseits gibt es viele verlässliche Anbieter. So stellt sich die Frage schärfer: Welchen Stellenwert haben ARD, ZDF und Deutschlandradio im 21. Jahrhundert?
Wer hat den Ernst der Lage besser erkannt: die Sender oder die Rundfunkpolitik?
Die Sender haben es sich in der prozeduralen Gewährleistung des Beitrages durch das KEF-Verfahren relativ bequem eingerichtet. Uns kann doch sowieso keiner, das ist die aktuelle Haltung in den Anstalten. Was die Länder da gerade veranstalten, das sei doch Budenzauber.
Wer bestimmt eigentlich den Programmauftrag – die Länder oder die Sender?
Die inhaltliche Programmautonomie liegt bei den Sendern, keine Frage. Man könnte sich aber fragen, ob gut 60 Radioprogramme wirklich veranstaltet werden müssen, ob der Auftrag für das Erste nicht so konnotiert werden könnte, dass das Programm einen regionalen Schwerpunkt haben könnte. Es gibt Ansatzpunkte für eine Präzisierung des Auftrags – und das ist Aufgabe des Landesgesetzgebers.

Rainer Robra (CDU) ist Chef der Staatskanzlei und Minister für Kultur in Sachsen.

Das Interview führte Joachim Huber.

Bisher erschienen in der Debattenreihe zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind Beiträge von Patricia Schlesinger (15. April), Hans Demmel (25. April) und Christoph Palmer (7. Mai).

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