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Medien: Zum Tod von John Jahr junior

Gerd Schulte-Hillen, ehemals Vorstandschef von Gruner + Jahr, erinnert sich

John Jahr ist tot. Er starb im Alter von 72 Jahren an akutem Kreislaufversagen, direkt nach einer Hüftoperation. Am 28. Juli war er auf einer Veranstaltung gestürzt und hatte sich verletzt. Zunächst hatte er das nicht so ernst genommen. Aber die Schmerzen ließen nicht nach, als er in seine Wohnung zurückgekommen war. Am nächsten Tag ließ er sich im Krankenhaus untersuchen und erhielt die Diagnose, die eine Operation zwingend machte. Der Eingriff verlief ohne Komplikationen, die Familie verließ beruhigt das Krankenhaus. Eine Stunde später brach der Kreislauf zusammen, und das Herz setzte aus. John Jahr, der bis zum Tod seines Vaters John Jahr jun. hieß und den alle Johnny nannten, war gestorben. Er, dem nachgesagt wurde, er habe sieben Leben, starb völlig überraschend. Viel schlimmer hatte es schon um ihn gestanden. Vor Jahren hatten die Ärzte bei dem leidenschaftlichen Raucher Lungenkrebs festgestellt. Von seiner großartigen Frau unterstützt machte er alle Torturen von der Nikotinentwöhnung über die Operation bis zur Chemotherapie durch und kämpfte heldenhaft. Gegen alle Erwartungen genas er und war dankbar für jeden neuen Tag.

Lange bevor es Gruner + Jahr gab, war er schon in leitender Position beim Constanze-Verlag und kannte alle Facetten des Zeitschriftengeschäfts. Es war nur folgerichtig, dass er 1965, als der „Stern“-Verlag von Gerd Bucerius und die Druckerei Richard Gruners hinzukamen und zu G + J fusionierten, Mitglied der Geschäftsleitung und 1972 Vorstand wurde.

Johnny war ein angenehmer Zeitgenosse, der gern in Frieden auseinanderging, so emotional und aggressiv die Sitzungen oder Verhandlungen auch waren. Kampf war ihm nicht fremd, seine Interessen verstand er zu vertreten, aber er hatte eine gute Erziehung genossen und achtete die Formen. Im Übrigen meinte er auch, dass es sich so besser leben lasse. Ein Mitglied der Hamburger Oberklasse eben, ein Hanseat und Gentleman. Dabei hatte er wie wohl die meisten Jahrs das „Wildheids-Gen“, einen ererbten Drang zu Freiheit, Unabhängigkeit und Abenteuer.

Als ich 1969 als Assistent bei der Bertelsmann-Druckerei Mohndruck meine berufliche Laufbahn begann, merkte ich bald, welche Hochachtung den Jahrs entgegengebracht wurde, die ihre Zeitschrift „Capital“ dort drucken ließen. Der Pulsschlag war bei allen führenden Mitarbeitern der Druckerei beschleunigt, wenn sich Jahr jun. zum Besuch angemeldet hatte. Diese Geschäftsbeziehung führte schließlich zum Eintritt Bertelsmanns in den Gesellschafterkreis und zum Mehrheitserwerb von Gruner + Jahr 1972.

1973 traf ich John Jahr als Kollegen im Vorstand von G + J. Er war zuständig für den Einkauf, das Radio-, Film- und Musikgeschäft. Umsichtig und schlau führte er die Verhandlungen mit den skandinavischen und deutschen Papierfabriken und bewahrte das Haus vor Papierknappheit in den verschiedenen Ölkrisen. Seinen direkten Draht zum Gesellschafter Jahr, also seinem Vater, nutzte er klug und unbemerkt. Verlagstypische Diskussionen, die oft aufgeregt, laut und emotional sind, verfolgte er interessiert. Er kannte ihre wahrheitsfördernde Wirkung, schmunzelte hin und wieder oder machte eine humorvolle Bemerkung, wohl wissend, dass Lachen die Wut vertreibt. Seine Aufenthalte in der angelsächsischen Welt kamen ihm dabei zugute. Das war besonders wichtig in einem Vorstand, dessen Mitglieder ausgesprochene Individualisten waren. Er glättete die Wogen und sorgte für Teamgeist. In unseren 27 Jahren gemeinsamer Vorstandsarbeit war er ein stets heiterer und verlässlicher Freund und guter Kamerad.

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