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Medien: „Zum Wohnzimmerinventar will ich nicht gehören“

Sebastian Koch möchte gute, authentische Geschichten erzählen. So wie in „Zwei Tage Hoffnung“ über den 17. Juni 1953

Interviews gibt Sebastian Koch bevorzugt im Café Einstein. Eine Kulisse, die er ausschließlich zu diesem Anlass betritt, sonst mag er keine Promi- Lokale. Der Wahl-Berliner hat noch nicht gefrühstückt und fragt höflich, ob es störe, wenn er etwas esse. Ebenso höflich fragt er, ob es störe, wenn sein Handy angeschaltet bliebe. Koch bestellt zwei Eier im Glas mit Schnittlauch und einen Milchkaffee. Kein Star-Getue. Er wedelt nicht mit der Sonnenbrille herum, kokettiert nicht mit dem Kellner, betrachtet das Café nicht als Bühne.

Er bestellt, isst und fängt an zu erzählen – unaufgeregt, mit leiser, aber deutlicher Stimme. Zuerst erzählt er von dem Umzug, den er gerade hinter sich bringt: aus der großen Familienwohnung in Schöneberg in eine kleinere nach Charlottenburg. Damit er näher bei seiner Tochter sein kann, die bei seiner Ex-Frau lebt. Seinen Beruf erklärt er der Siebenjährigen so: „Ich erzähle Geschichten vor einer Kamera.“ Koch macht keinen Hehl aus den Schwierigkeiten, die zur Trennung geführt haben: „Es hat nicht geklappt, der Gegensatz zwischen Ost und West ist zu groß.“ Er aus dem Westen, sie aus der ehemaligen DDR. Zwei Welten. Koch erzählt offen von einer Familientherapie, wie er überhaupt offen spricht.

Vielleicht sogar aus Pflichtgefühl: Wenn er seine Probleme thematisiert, hilft er damit anderen, hofft er.

Sebastian Koch, 41 Jahre alt, wirkt zufrieden. Mit sich und der Welt im Reinen. Einer, der sein Leben genießt, insbesondere das Leben als Schauspieler. Darüber ist er, der sich bei aller Ernsthaftigkeit als Luftmenschen bezeichnet, geradezu begeistert. Luftmensch? Das sei einer, der mit einer gewissen Leichtigkeit durchs Leben wandert, erklärt er. Und einer, der gern redet. „Es ist doch unglaublich, in wie viele Leben ein Schauspieler schlüpfen kann. Nicht einfach nur darüber lesen, sondern vorübergehend darin zu leben! Unglaublich auch, wen man trifft und wo ich schon überall hingereist bin – China, Zentralafrika.“ Im Moment dreht Koch in Wien, mit Cathérine Deneuve und Heinz Bennent, die er beide verehrt. Wenn er so erzählt, merkt man, dass er sein Glück, seinen Erfolg nicht als selbstverständlich hinnimmt. Er gehört jetzt dazu, und er freut sich darüber. Jeden Tag. Denn der Weg dahin war nicht leicht.

Koch stammt aus engen schwäbischen Verhältnissen. Exotischer hätte sein Berufswunsch im Heimatdorf jedenfalls kaum sein können. Ihm war nur wichtig, dass die Mutter – einen Vater gab es nicht – seine Entscheidung respektiert. Das ist eines von Kochs Lieblingswörtern, Respekt. In München besucht er die Schauspielschule. Bemerkt später in Berlin, wie oft Theater am Zuschauer vorbei inszeniert wird. Entwickelt eine Art Hassliebe zur Bühne. In dieser schwierigen Phase bekommt der gut aussehende Zwei-Meter- Mann seine ersten Rollen im Fernsehen und wird im Lauf der Zeit so etwas wie „das deutsche Gesicht im Dauereinsatz“, wie die „FAZ“ schreibt. Das gefällt ihm zwar nicht. Aber irgendwie müsse man ihn wohl einsortieren, sagt er. Ganz unpassend ist die Beschreibung allerdings nicht.

Schließlich spielte er den RAF-Terroristen Andreas Baader, den entführten Millionärssohn Richard Oetker, den Klaus Mann in Heinrich Breloers Familienepos. Und die Liste ließe sich fortsetzen. Trotzdem ist Koch immer noch nicht sehr bekannt. Wenn man von ihm spricht, muss man oft erst seine Rollen aufzählen. Aber dann hört man genauso oft: „Ach der, natürlich. Ja, den kenne ich. Der ist gut.“ Koch ist daran selber schuld. Denn Serien, die ihn schnell populär gemacht hätten, lehnte er immer ab. Er prüft jede Rolle sorgfältig, führt lange Vorgespräche. Er leistete sich von Anfang an den Luxus, seine Rollen auszusuchen. „Zum Wohnzimmerinventar will ich gar nicht gehören“, sagt er, „berühmt werden ist nicht mein Ziel.“

Egal, wen Koch spielt, er ist so präsent, dass man sich erinnert. Beispielsweise an den jungen Oetker. Zur Vorbereitung hat er damals den medienscheuen Millionär getroffen, stundenlang mit ihm gesprochen. Richard Oetker traute ihm zu, diese schwierigste Episode seines Lebens zu spielen – „Sie machen das schon“ – und war später ziemlich angetan, wie Koch das machte, wie nahe er ihm gekommen war. Koch hat viele Preise gewonnen, aber auf dieses Kompliment ist er besonders stolz.

In einer Holzhütte bei Starnberg bereitete sich der Perfektionist auf seine Arbeit vor. „Hingehen zur Rolle“ nennt er das. Aus der Distanz Nähe finden. „Im Gegensatz zum Theater, wo sich alles auf den Proben findet, sollte man beim Film mit der Vorbereitung am ersten Tag fertig sein.“ In Peter Keglevics „Zwei Tage Hoffnung“, einem der großen Fernsehfilme zum 50. Jahrestag des 17. Juni, spielt Koch den Journalisten Helmut Kaminski, der in West-Berlin gestrandet ist und durch Zufall an eine politisch brisante Liste gerät; eine Liste, die höchste Gefahr für seinen Vater (Matthias Habich) und seinen Bruder (Hans-Werner Meyer) bedeutet. Nun will er sie warnen …

Was reizte Koch an der Rolle? Etwas, das er aus seinem Leben kennt. „Ich spiele jemanden, der zerrissen ist, keinen Halt hat, aber wieder zu einer Haltung findet.“ Eine komplizierte, merkwürdige Figur, die viel raucht und Foxtrott tanzt. Bei den Dreharbeiten musste er so viel rauchen, dass er zu seinem Leidwesen selbst wieder damit angefangen hat.

Für Sebastian Koch ist dieser Film „eine spezielle Form der Geschichtserzählung“. Er erklärt das so: „Den Deutschen hat lange das Selbstbewusstsein für ihre eigenen authentischen Geschichten gefehlt. Einfach Alltag erzählen. Das, was die Franzosen so gut können.“ Noch etwas kommt dazu: Der Schauspieler ist begeistert von der Zusammenarbeit mit Regisseur Peter Keglevic, dem Mann, der auch bei Oetker Regie geführt hatte. Keglevic erzähle mit Bildern, „nicht so deutsch, wo immer alles ausgesprochen wird“, sagt Koch und spricht von der Film-Familie, zu der er gern gehört.

„Zwei Tage Hoffnung“ ist ein gutes Stück verfilmte Zeitgeschichte aus dem Hause „teamworx“, das genauso in den Weltvertrieb gehen soll wie schon der Erfolgsfilm „Der Tunnel“. Spannend und plausibel erzählt, mit einer ungeheuren Bilderwucht. Und sehr gut gespielt. „Ein Ensemblefilm, da fällt keiner besonders raus“, sagt Ensemblemitglied Sebastian Koch.

Sein nächstes Projekt? Koch spielt Graf Stauffenberg. Regisseur Jo Baier beginnt im Sommer mit den Dreharbeiten über das Attentat vom 20. Juli. Es bleibt also vorerst beim deutschen Gesicht.

„Zwei Tage Hoffnung“, 20 Uhr 15 im Ersten

Carla Woter

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