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Zumutung und Herausforderung: Riemann geht, Hitler bleibt?

Es gab da zwei TV-Events in einer Woche: Den ZDF-Dreiteiler "Unsere Mütter, unsere Väter" und den Auftritt von Katja Riemann bei "Das!". Beide Sendungen waren sehr erfolgreich beim Publikum. Das aber kann nicht sein.

Das ZDF hat für das Gebührenfernsehen große Ehre eingelegt. Sein Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ hat den Zweiten Weltkrieg auf der Skala deutscher Gedächtniskultur weit nach oben geschoben. Vergessen war das biblische Verbrechen nie, allein der Zuspruch zu dem vielgliedrigen Ausstellungsprojekt „Zerstörte Vielfalt“ in Berlin zeigt, dass die Fragen nach dem Warum eines verbrecherischen Regimes, des millionenfachen Mordes an den europäischen Juden neue, auf jeden Fall erneuerte Antworten braucht. „Unsere Mütter, unsere Väter“ lässt da wenig Raum für Spekulation und Ausweichen. Mehr als 21 Millionen Zuschauer haben eingeschaltet. In den anderen Medien ist das TV-Ereignis mit eigenen Akzenten zum allseitigen Gesprächsthema ausgebaut worden.

Vor, während und nach der Ausstrahlung im Zweiten hat es ein zweites TV-Ereignis gegeben. Am vergangenen Donnerstag hat sich die Schauspielerin Katja Riemann in der NDR-Sendung „Das!“ zu bockiger Attitüde und fragwürdigen Sätzen hinreißen lassen. Die Riemann-Blamage feiert Rekorde, bei Youtube, in den Online-Portalen, in der Tagespresse.

In der Gleichzeitigkeit der Ereignisse – Aufmerksamkeit für die Riemann-Zumutung und Aufmerkamkeit für die ZDF-Herausforderung – findet sich eine irritierende Disparität. Ein nicht zu unterschätzender Teil der Zuschauer, der User, der Medien beölt sich an Riemann und befeuert wieder und wieder diesen läppischen Moment. Wer das gescheiterte Riemann-Interview interessanter, ja relevanter nimmt als das ZDF-Projekt, der gibt dem Fernsehen und sich selbst einen Vorwand, sich künftig noch stärker auf die Peinlichkeiten sogenannter Prominenter zu stürzen. Katja Riemann hat – ungewollt– das Notwendige dazu gesagt: „It needs two to tango.“

Oder sind derartige Beobachtungen nur moralinsaure Sorgenmacherei um die angebliche Sorglosigkeit der anderen? Die Riemann geht, der Nationalsozialismus bleibt, und alles ist gut? Die Zeichen der Zeit sind zweideutig.

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