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Noch einmal mit mehr Gefühl: Die Nordkoreanerin Bang Gye Yong (hier im Bild mit ihrer Lehrerin) intoniert eine Arie aus einer Revolutionsoper.

© ZDF und Julia Daschner

Zwei Koreanerinnen im 3sat-Porträt: Die Punkerin und die Blumenfrau

Eine lebt in Südkorea, die andere in Nordkorea – zwei Sängerinnen in einem ungewöhnlichen Doppelporträt von Sung-Hyung Cho auf 3sat.

Zunächst singt eine zweiundzwanzigjährige Studentin der nordkoreanischen Musikhochschule von Pjöngjang. Voller Inbrunst intoniert sie eine Arie aus der Revolutionsoper „Die Blumenfrau“. Nicht gefühlvoll genug, wie ihre Lehrerin spitzzüngig anmerkt. Schnitt. Eine Südkoreanerin im gleichen Alter, Gitarristin in einer Frauen-Punkband namens „Die toten Präsidenten“, grölt No-Future-Parolen ins Mikro. Der Beat hämmert, im Publikum tanzen die Jungs Pogo.

In ihrem neuen Dokumentarfilm beobachtet Sung-Hyung Cho zwei seelenverwandte junge Frauen, die von einem Eisernen Vorhang getrennt sind. Beide machen Musik. Und die steht sinnbildlich für das System, in dem sie leben. Während der nordkoreanischen Sopranistin Bang Gye Yong in einer Uni-Vorlesung Floskeln über Kunst als „einzigartige Methode der musikalischen Politik“ eingetrichtert werden, probt die Südkoreanerin Hu Sun Gyung den Aufstand gegen jegliche Form von Autorität – subventioniert von den Eltern.

Trotz dieser grellen Gegensätzlichkeit spürt die koreanisch-deutsche Regisseurin subtile Parallelen zwischen den zerrissenen Welten auf. Das ist ihre Methode. Bekannt wurde Sung-Hyung Cho durch die Dokumentation über das Heavy-Metal-Festival von Wacken sowie ihren Film über das „Sommermärchen“ der Frauen („11 Freundinnen“). Da sie einen deutschen Pass besitzt, konnte Cho nun als erste Südkoreanerin im hermetisch von der Welt abgeschotteten Nordkorea filmen. Das Doppelporträt „Zwei Stimmen aus Korea“ ist die Fortsetzung ihrer Kinodokumentation „Meine Brüder und Schwestern im Norden“. Als Bedingung für die Erteilung einer Drehgenehmigung treten auch hier nur handverlesene Genossen auf, bei denen man sieht, wie genau sie überlegen, was sie vor der Kamera sagen.

Die Filmemacherin widersteht der naheliegenden Versuchung, die Freiheit des Südens gegen die Diktatur des Nordens auszuspielen. Ihre nordkoreanische Protagonistin spürt dies. Sie wird nicht bloß gestellt – und so gibt sie sich auf eine unaufgeregte Weise keck. Wie alle Teenager hantiert sie mit ihrem Smartphone, das sie selbst nachts unters Kopfkissen legt. Man merkt, wie vorsichtig dieses Mädchen um jeden Millimeter ihrer bescheidenen Freiheit kämpft. Vor diesem Hintergrund verändert sich der Blick auf ihre betont coole Altersgenossin aus dem kapitalistischen Süden, die mit Kommilitoninnen in einem stylischen Café sitzt und postmoderne Phrasen über „die gesellschaftliche Konstruktion von Weiblichkeit“ drischt.

Konfrontation auf visueller Ebene

Die Konfrontation der Welten erfolgt auch auf der visuellen Ebene. Während die Südkoreaner mit gepflegter Langeweile die Konsummeile entlangflanieren, vollführen nordkoreanische Paare auf einer gespenstisch anmutenden Großveranstaltung roboterartige Tanzschritte. Der nordkoreanische Alltag mit seinen gigantischen sozialistischen Monumenten ist nicht grau in grau. Die Trachten der Passanten und die Farben des Hallenschwimmbades wirken neonbunt wie bei einem Fernseher, dessen Farbkontrast zu weit aufgedreht wurde.

Mit ihrer Ineinanderspiegelung von Nord- und Südkorea gelingt Sung-Hyung Cho ein Doppeltes: Sie macht das Fremde im Vertrauten und das Vertraute im Fremden sichtbar. Da die Regisseurin seit 1990 in Deutschland lebt, ist vor allem die Wiedervereinigung ein bestimmendes Thema ihrer koreanischen Heimatfilme: „Die deutsche Wiedervereinigung hat mich gelehrt, dass Nordkorea ein Teil meiner alten Heimat ist und die koreanische Wiedervereinigung auch sehr plötzlich kommen kann.“ Ihr ergreifender Film nährt diese Hoffnung allerdings nicht wirklich.

„Sung-Hyung Cho: Zwei Stimmen aus Korea“, 3sat, Montag, 22 Uhr 25

Manfred Riepe

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