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Meinung: … Ägypten

erzählt, warum im Land der Pharaonen plötzlich über vorehelichen Sex debattiert wird Bei uns wäre es eine Geschichte für die Boulevardpresse: Eine junge hübsche Modedesignerin bekommt ein Kind aus einer Beziehung mit einem bekannten Schauspieler und strengt einen Vaterschaftstest an. Im konservativen Ägypten beschäftigt der Vorfall alle Gemüter, einschließlich der religiösen Führer.

erzählt, warum im Land der Pharaonen plötzlich über vorehelichen Sex debattiert wird Bei uns wäre es eine Geschichte für die Boulevardpresse: Eine junge hübsche Modedesignerin bekommt ein Kind aus einer Beziehung mit einem bekannten Schauspieler und strengt einen Vaterschaftstest an. Im konservativen Ägypten beschäftigt der Vorfall alle Gemüter, einschließlich der religiösen Führer. Denn Sex vor der Ehe ist verboten. Findet er dennoch statt, wird er geheim gehalten und die Frauen lassen sich ihr Hymen wieder zunähen. Nicht so die 27-jährige Hind al Hinnawi: Sie fordert vor Gericht, dass sich der bekannte Schauspieler Ahmed al Fischawi, der pikanterweise eine Talkshow zu praktischen Fragen des Islams moderiert, einem Vaterschaftstest unterzieht. Dieser soll feststellen, dass er der Vater ihrer einjährigen Tochter Lina ist.

Die Sensation kam am ersten Verhandlungstag vor Gericht Anfang Januar in die Schlagzeilen der ägyptischen Presse. Photos der beiden Beteiligten zierten die Titelblätter der Magazine. In gesellschaftlichen Kreisen wird über die sexuelle Not der Jugend debattiert. In konservativen Zeitungen wird der Verfall der Familie kritisiert. Auch der Mufti des Landes, die höchste religiöse Autorität, musste sich äußern. Denn die junge Mutter behauptet, sie habe eine „geheime Ehe“ (urfi) mit dem angeblichen Vater ihres Kindes abgeschlossen. Dies ist eine offiziell umstrittene Antwort des populären sunnitischen Islams darauf, dass die jungen Menschen wegen der wirtschaftlichen Not immer später heiraten können. Denn der junge Mann muss dazu erst eine Wohnung und Goldschmuck für die Braut kaufen und eine teure Hochzeit organisieren. Im pragmatischeren Schiitentum gibt es als Ausweg die Zeitehe, die auch für eine Nacht abgeschlossen werden kann. Wenn Kinder aus ihr hervorgehen, haben sie gleiches Erbrecht wie Kinder aus einer „richtigen“ Ehe.

Der ägyptische Mufti erinnerte in einer Fatwa daran, dass das Wohl des Kindes im Mittelpunkt stehe. Damit ist er einer grundsätzlichen Stellungnahme zur gesellschaftlichen Praxis der geheimen Ehe aus dem Weg gegangen, aber das Dekret ist durchaus fortschrittlich. Denn vorehelicher Sex von Frauen wird als Schande für die gesamte Familie angesehen und oft mit so genannten Ehrenmorden gesühnt. Doch Vater Hamdi Abd al Hinnawi, ein Wirtschaftswissenschaftler, beschloss, seine Tochter zu unterstützen. „Sex und Ehre haben nichts miteinander zu tun, wenn Liebe im Spiel ist“, verteidigt er in der „New York Times“ seine Haltung. Noch ist offen, ob Hind al Hinnawi ihr Ziel erreichen wird: Sie will, dass ihre Tochter einmal den Namen des Vaters trägt.

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