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Meinung: … Amerika

Der Bürgermeister hat auf Bitte des Polizeichefs einen „kriminellen Notstand“ verhängt, der Stadtrat die Ausgangssperre für unbegleitete Jugendliche unter 16 von Mitternacht auf 22 Uhr vorgezogen. Nun werden auch Überwachungskameras ausgewertet, die sich auf Wohngebiete richten – in Normalzeiten ist das verboten zum Schutz der Privatsphäre.

Der Bürgermeister hat auf Bitte des Polizeichefs einen „kriminellen Notstand“ verhängt, der Stadtrat die Ausgangssperre für unbegleitete Jugendliche unter 16 von Mitternacht auf 22 Uhr vorgezogen. Nun werden auch Überwachungskameras ausgewertet, die sich auf Wohngebiete richten – in Normalzeiten ist das verboten zum Schutz der Privatsphäre. Nur an öffentlichen Plätzen sind sie immer in Betrieb. Die Polizei wird verstärkt.

Washington ist im Aufruhr, ein ungeschriebener Pakt sei von jugendlichen Straftätern gebrochen worden, behaupten Kommentatoren. Als Zugereister versteht man zwar nicht so recht, wer diesen Pakt mit wem geschlossen hat – und was die Gegenleistung der Polizei für das angebliche Einverständnis Krimineller war. Aber in der Tat teilt sich die Stadt in sichere und unsichere Gegenden. Die über 300 Morde pro Jahr geschehen fast alle in den schwarzen Vierteln im Südosten. Die Gegenden der weißen Mittelschicht sind sicher – obwohl sie sich per U-Bahn binnen 20 Minuten auch von den kriminellen Zentren erreichen ließen. Das Verbrechen in den USA ist nicht sehr mobil, es bleibt in den einschlägigen Vierteln. Wer ortsfremd ist, lässt sich meist von der Hautfarbe ableiten. „Neighbourhood watch“ funktioniert, die Nachbarn passen mit auf und rufen bei Verdacht die Polizei.

Der offizielle Grund für den Notstand: Mord und Raub hätten seit dem 1. Juli stadtweit stark zugenommen. In Wahrheit war einer der 16 Morde der Auslöser: Opfer war ein britischer Jude im vermeintlich sicheren Georgetown. Drei junge Schwarze schnitten ihm die Kehle durch; als er eine Begleiterin in den frühen Morgenstunden nach Hause brachte, versuchten sie sie zu vergewaltigen und raubten ihr Portemonnaie. Sie wurden bald gefasst. Ähnlich bei den Raubüberfällen. Für Aufruhr sorgten vier abendliche Angriffe auf Touristen an der National Mall – dem Schaufenster und Stolz der Nation zwischen Kongress, Lincoln Memorial und Weißem Haus. Millionen Touristen kommen im Sommer hierher. Die Mall galt auch nachts als sicher, ob wegen des „Paktes“ oder wegen hoher Polizeipräsenz. Auch hier sollen jugendliche Schwarze die Täter gewesen sein. Zwei, drei Mal hat Washington in den jüngsten Jahren den Notstand erklärt – und die Kriminalitätsrate binnen Wochen um bis zu 30 Prozent gesenkt. Im Herbst sind Lokalwahlen in DC. Im Frühjahr hatten manche Stadträte einige der Maßnahmen noch abgelehnt. Jetzt stimmten fast alle zu.

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