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Meinung: … Belgien

über einen entzauberten Premierminister Eigentlich hätte sich der niederländische Premierminister Jan Peter Balkenende freuen müssen. Zauberkräfte wünscht sich schließlich jeder.

über einen entzauberten Premierminister Eigentlich hätte sich der niederländische Premierminister Jan Peter Balkenende freuen müssen. Zauberkräfte wünscht sich schließlich jeder. Und der Den Haager Regierungschef könnte sie besonders gut gebrauchen: Das Referendum über die EU-Verfassung hat er verloren, seine Popularität ist auf 13 Prozent gesunken. Ein bisschen Sternenstaub und Zaubersprüche würden ihm also gut tun. Aber der Vergleich des belgischen Außenministers Karel De Gucht gefiel dem Niederländer trotzdem nicht. De Gucht hatte Balkenende als eine „Mischung aus Harry Potter und einem anständigen Kleinbürger“ bezeichnet, an dem „keine Spur von Charisma“ zu entdecken sei.

Als „beleidigend“ bezeichnete Balkenende das Interview. Sein Außenminister lud prompt den belgischen Botschafter vor, um über die „inakzeptablen“ Aussagen zu sprechen. „Die Reaktion ist völlig übertrieben“, hieß es dagegen aus der belgischen Regierung. Die Telefone zwischen Brüssel und Den Haag liefen heiß. Erst ein intensives Gespräch zwischen den beiden Premiers Balkenende und Verhofstadt machte dem Konflikt ein Ende. Das erste Mal in der Geschichte der beiden Länder gaben ihre Regierungschefs eine gemeinsame Erklärung heraus: „Wir bedauern den Vorfall und legen ihn hiermit zu den Akten.“

Damit dürfte aber nur das akute Feuer gelöscht sein. Die Glut glimmt weiter. Denn die Abneigung zwischen Belgiern und Niederländern sitzt um einiges tiefer. Die Niederlande sind traditionell Protestanten, vor allem die Flamen in Belgien überzeugte Katholiken. Die wirtschaftliche und soziale Rivalität zwischen den beiden benachbarten Völkern besteht seit Jahrhunderten. Immer wieder streiten sich die beiden – egal, ob es um den Ausbau des Hafens von Antwerpen oder um den Irakkrieg geht. Und auch De Gucht hat sich nicht zum ersten Mal zu weit aus dem Fenster gelehnt. Im vergangenen November erzählte er auf dem Flughafen von Dar es Salaam Holländer-Witze und unterhielt damit eine europäische Delegation, die Afrika besuchte. „Der Benelux-Verbund funktioniert nicht mehr“, konstatierte der ehemalige EU-Kommissar Karel van Miert dann auch nach der jüngsten Entgleisung des Außenministers.

Da fallen die fehlenden Zauberkräfte des niederländischen Premiers besonders ins Gewicht: Erst ließ er sich eine riesige Dienstwohnung in Den Haag einrichten, was zur einer Pressekampagne gegen ihn führte. Und dann brannte die auch noch ab. Harry Potter wäre das sicherlich nicht passiert.

Ruth Reichstein

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