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Meinung: … Nordirland

Nordirland hat einige Erfahrung mit Amnestien. Hunderte von verurteilten Mördern wurden vor sechs Jahren freigelassen, um den Friedensprozess zu zementieren.

Nordirland hat einige Erfahrung mit Amnestien. Hunderte von verurteilten Mördern wurden vor sechs Jahren freigelassen, um den Friedensprozess zu zementieren. Einer davon versuchte am Freitag, im Alleingang das Parlament in die Luft zu sprengen. Alte Tricks verlernt man nicht so schnell. Auch für die Kalaschnikows und den Semtex-Sprengstoff der Irisch-Republikanischen Armee ließ man sich eine straffreie Entsorgungsmethode einfallen: Es wurde ein Betonpfropf auf die Bunker gegossen.

Jetzt, wo diese Probleme einigermaßen bewältigt sind, hat sich der Stadtrat der nordirischen Provinzstadt Ballymena eine neuartige Amnestie einfallen lassen: Nach den Silvesterfeiern sollen die braven Bürger ihre Promenadenmischungen bei Nigel Devine vorbeibringen. Nigel, der Hundefänger der Gemeinde, wird dann mit Kennermiene beurteilen, ob es sich bei dem lieben Tier um einen Pitbull-Terrier handelt. Die sind nämlich in Nordirland verboten.

„Viele Leute wissen gar nicht, dass sie einen Pitbull haben“, wird der verständnisvolle Nigel zitiert. Sollte sein Befund positiv ausfallen, wird er das Tier kostenlos in die ewigen Jagdgründe befördern. Allein in diesem Jahr mussten in Nordirland schon vier dieser Köter in flagranti erschossen werden, in einem Fall brauchte es dafür acht Kugeln. Ein herrenloser Pitbull terrorisierte die Insassen eines Busses, bis die Passagiere flohen. Nigel vermutet, dass die aggressiven Tiere – wie einst die IRA – über die Grenze aus der benachbarten Republik kommen, wo sie legal sind.

Kann es denn ein Zufall sein, dass ausgerechnet Ballymena auf diese Idee verfällt? Mitnichten. Die kennen sich nämlich bestens aus mit Kampfhunden. Der Stadtrat ist seit Jahrzehnten die politische Hochburg eines gewissen Ian Kyle Paisley, Oberhaupt der freien presbyterianischen Kirche und Chef der größten Partei Nordirlands. Seit Freitag ist er zudem der designierte Regierungschef Nordirlands. Vierzig Jahre lang hat Paisley seine politischen Gegner verbellt, begeifert und gebissen – und blieb dabei straffrei. Doch jetzt, wo der evangelische Pfarrer offenbar im hohen Alter von 80 Jahren noch lernt, ein Stöckchen zu apportieren, sind Kampfhunde in Ballymena verpönt. Ihre Besitzer kommen in den Genuss einer Amnestie, was im Rahmen der allgemeinen Versöhnung nur recht und billig ist. Bloß: Wird irgendjemand sich als Paisleys Besitzer beim allmächtigen Nigel Devine melden?

Martin Alioth

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