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Meinung: ... Tschechien

Halbe Sachen gibt es nicht in der Welt der Reichen und Schönen, das haben die Tschechen in dieser Woche gelernt. Der französische Luxuskonzern Louis Vuitton will mit betuchten Kunden aus aller Welt eine Sause feiern und kommt dazu nach Prag.

Halbe Sachen gibt es nicht in der Welt der Reichen und Schönen, das haben die Tschechen in dieser Woche gelernt. Der französische Luxuskonzern Louis Vuitton will mit betuchten Kunden aus aller Welt eine Sause feiern und kommt dazu nach Prag. Die Party soll der krönende Abschluss einer Oldtimer-Rallye von Budapest über Wien nach Prag sein. Als Rahmenprogramm dienen Bankette von früh bis spät und ein privater Gastauftritt von Madonna, die eigens dazu ihren Tournee-Aufenthalt in Prag verlängert.

Das alles ist zwar beeindruckend, würde aber die tschechische Seele nicht näher tangieren. Unglücklicherweise aber ist es den Managern der französischen Edelmarke in den Sinn gekommen, eine ganz besondere Kulisse für ihre exklusive Feier zu mieten. Die Karlsbrücke, verkündeten sie, müsse es schon sein. Kurzerhand unterschrieben sie im Prager Rathaus einen Mietvertrag für die gesamte Brücke, die immerhin das Wahrzeichen der Stadt ist, und organisierten schon einmal eine Totalsperrung – schließlich will man unter sich sein. Eine eigens engagierte PR-Agentur sollte Beschallung, Beleuchtung und Bewirtung während der vier Tage sicherstellen.

Bei ihrer sorgfältigen Vorbereitung rechneten die Veranstalter allerdings nicht mit dem Patriotismus der Tschechen. Spontan regte sich der Volkszorn: Eine Vermietung des Nationalheiligtums, das seit 650 Jahren die Altstadt mit der berühmten Kleinseite verbindet, kommt für die Prager gar nicht in Frage. Als Erstes schrie die Tourismusindustrie auf, für deren Kundschaft ein romantischer Spaziergang über die Moldau schließlich zum absoluten Muss gehört. Gleich danach meldeten sich die Denkmalschützer zu Worte, die einen kulturellen Frevel witterten. Und schließlich stimmten all jene in das Protestgeschrei ein, denen der kolportierte Mietzins von knapp 50 000 Euro für vier Tage als lächerlich gering erscheint. Spontan riefen aufgebrachte Bürger im Internet zu Massendemonstrationen auf und kündigten an, die Feier der Hautevolee so lautstark aufzumischen, dass nicht einmal Madonna sie übertönen könne.

Bei der Prager Stadtverwaltung rudert man unter dem öffentlichen Druck inzwischen zurück. Der Mietvertrag ist storniert, als Alternative kann Louis Vuitton auf eine andere Brücke zurückgreifen. Ob sich der Konzern darauf einlässt, ist allerdings noch nicht klar. Als Streitschlichter hat sich inzwischen Oberbürgermeister Pavel Bem angeboten. Ganz unbeteiligt ist er allerdings nicht. Im Programmheft der noblen Veranstaltung taucht er nämlich auch auf – als Schirmherr.

Kilian Kirchgeßner

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