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13. August 1961: Und alles änderte sich

Heute vor 50 Jahren begann die Absperrung West-Berlins durch Truppen der DDR. Aber mit dem Mauerbau begann auch die Entlarvung einer Lebenslüge.

Viele ältere Menschen in beiden Teilen der Stadt, die diesen Tag erlebt haben, denken mit tiefem Schmerz daran zurück. Aber die Zahl derer, die immer noch oder wieder sagen, das sei ein guter Tag gewesen, ist nicht gering. Deshalb muss man am 13. August 2011 die Namen einiger Menschen ins Gedächtnis rufen, die sich nicht mehr äußern können:

Wolfgang Glöde, 13 Jahre alt, am 11. Juni 1962 „versehentlich“ beim Spielen im Grenzgebiet erschossen.

Jörg Hartmann, 10 Jahre, und Lothar Schleusener, 13 Jahre, am 14. März 1966 bei einem gemeinsamen Fluchtversuch erschossen.

Andreas Senk, 6 Jahre alt, Siegfried Kroboth, 5 Jahre alt, Giuseppe Savoca, 6 Jahre alt, Cetin Mert, 5 Jahre alt, in zu Ost-Berlin gehörenden Grenzgewässern zum Westteil der Stadt ertrunken, weil sie keiner retten konnte oder wollte.

Wahrscheinlich ist es aus linientreuer DDR-Sicht revanchistisch, an diese Namen zu erinnern, an die der sieben jüngsten von 136, die in 28 Jahren an der Berliner Mauer starben. Alte Armeegeneräle der DDR und jüngere Politiker der Linken sagen uns, ohne Mauer hätte es einen Weltkrieg um Berlin gegeben, deshalb sei der Bau der Absperrung eine den Frieden sichernde Maßnahme gewesen. Als hätte man Mauer und Krieg nicht ganz einfach und ohne Tote verhindern können. Durch freie Wahlen in Ostdeutschland. Oder die SED hätte sich, wie Bertolt Brecht nach dem 17. Juni 1953 empfahl, eben ein anderes Volk wählen müssen ...

Aber Wahlen oder Wählen, so oder so, durfte nicht sein. Deshalb wurde durch die Mauer eine Diktatur am Leben erhalten. 28 lange, bittere Jahre, in denen der Alltag in der DDR zwar besser, jedoch nicht freier wurde, was immer uns die Schönfärber und Verdränger auch erzählen. Viele der Bürger, die der SED nach 1961 nicht mehr entkommen konnten, und ihre Kinder flüchteten 25 Jahre später, über die sozialistischen Brüderstaaten und brachten damit dann doch noch die Mauer zum Einsturz – vom Osten her.

Es ist leicht, mit dem Wissen von heute und in der Abgeklärtheit des Historikers, ohne die emotionale Berührtheit der Betroffenen, auf die Ereignisse vor 50 Jahren und danach zu schauen. Jetzt können wir aus den Akten rekonstruieren, wie die Entspannungspolitik, die deutsche und die westliche, in der Stunde der tiefen Depression in West-Berlin geboren wurde – und wir kennen ihr glückliches Ende. In West-Berlin hingegen bangte man am 13. August 1961, was noch alles kommen würde. Für viele Menschen war die stumme Duldung der Willkürmaßnahme durch die Westmächte die erste Stufe eines Verrates, von dem man nicht wusste, was ihm außer der Freizügigkeit noch alles geopfert werden würde. Erst mit dem Kennedybesuch am 26. Juni 1963 und der Rede des amerikanischen Präsidenten vor dem Schöneberger Rathaus, am 15. Jahrestag des Beginns der Luftbrücke, war endgültig klar: Der Westteil der Stadt würde nicht preisgegeben.

In der DDR hat diese Mauer millionenfach Lebensentwürfe zerstört, die Hoffnung auf Freiheit, Freizügigkeit und Wohlstand. Immerhin konnte nach dem 13. August 1961 kein Agitator mehr behaupten, allein die angebliche permanente westdeutsche Infiltration und das Verführen der Menschen zur Flucht seien schuld an der rückständigen Wirtschaft. Mit dem Auftakt zum Mauerbau heute vor 50 Jahren begann die Entlarvung der Lebenslüge der SED.

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