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Meinung: „20 Millionen sind auch für mich viel Geld“

Kann es einem Rothschild langweilig werden im Beruf des Bankiers? Es kann.

Kann es einem Rothschild langweilig werden im Beruf des Bankiers? Es kann. Edouard de Rothschild ist der Beweis. Nur wenige Jahre ist es her, da zog er sich als geschäftsführender Partner aus der von seinem Halbbruder David gegründeten Investmentbank Rothschild & Cie. zurück und legte ein Sabbatjahr ein. Das war eine erstaunliche Entscheidung für einen, der nach dem Jurastudium in Paris und einem MBA der New York University seine Karriere bei kleineren Banken in den USA begonnen hatte, ehe er in die höheren Sphären der internationalen Finanzwelt vorstieß, eigene Finanzierungsgesellschaften gründete und dann bei einigen der spektakulären Transaktionen des modernen Kapitalismus mitwirkte.

Doch er kam zurück. Mit neuen Ideen. Und einem Engagement, für das sich eine „schöne Gelegenheit“ bot. Mit 20 Millionen Euro, die er aus seinem Privatvermögen nahm, stieg er Anfang 2005 als Hauptaktionär bei der angeschlagenen linksliberalen Pariser Tageszeitung „Libération“ ein. Das war keine Marotte eines vielleicht „spleenigen Bankiers“, wie in Pariser Finanzkreisen gespöttelt wurde. Es war vielmehr die überlegte Entscheidung eines Investors, der sich ein klares Ziel gesetzt hatte: „Die Entwicklung eines Medienprojekts mit ,Libération‘ als Sockel“. Damit wollte Rothschild nach seinen eigenen Worten „eine neue Etappe“ seiner beruflichen Laufbahn eröffnen.

Aus dem Plan wird vorerst nichts. „Libération“ steckt noch tiefer in der Krise als vor einem Jahr und für den 48-Jährigen geht es jetzt darum, Kapital nachzuschießen, um seine Investition langfristig zu sichern. Rendite ist das Stichwort. Wäre er ein Mäzen, müsste er dem kaum Beachtung schenken. Doch dafür fehlten ihm die Mittel, hatte er vor einem Jahr bescheiden eingeräumt: „20 Millionen Euro sind auch für mich viel Geld.“

Für ihn ist die Presse eine „Industrie“, hatte er damals gesagt und damit viele schockiert, auch wenn er sich im selben Atemzug zur Wahrung der redaktionellen Unabhängigkeit von „Libération“ bekannte. Wie weit diese Garantie bei den jetzt unumgänglichen Maßnahmen zur Sanierung des Blattes noch eingehalten wird, muss sich zeigen. Als Dilettant gilt „Doudou“, wie ihn seine Freunde nennen, jedenfalls nicht. Halbe Sachen sind ihm verhasst. Das hat er auch als Rennstallbesitzer gezeigt, dessen Pferde den Prix de l’Arc de Triomphe holten. Schon geht bei „Libération“ eine abgewandelte Parole vom Mai 68 um: „Rothschild oder das Chaos.“

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