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Meinung: 48 Seiten Bombenstimmung

War natürlich ein Schock. Die „Berliner Morgenpost“ mit einer ganzseitigen, in der Morgenröte erglühenden Alten Nationalgalerie, dazu die Schlagzeile „Gute Nachrichten“.

War natürlich ein Schock. Die „Berliner Morgenpost“ mit einer ganzseitigen, in der Morgenröte erglühenden Alten Nationalgalerie, dazu die Schlagzeile „Gute Nachrichten“. 48 Seiten voll guter Nachrichten! Rasch nachgesehen: Hat die verschwisterte „Welt“ für diesen Tag alle schlechten Nachrichten auf sich genommen? (Nein, aber sie räumt den guten heimtückisch nur den BerlinTeil frei). Sollten wir beim Tagesspi… Ach, hatten wir ja längst – ein Blatt voll guter Vorsätze zum Jahreswechsel 2002/2003. Wenn Sie es nicht dem Kartellamt sagen: Da braut sich ein marktbeherrschendes Monopol der Gutschreiber zusammen. Und es ist ja so einfach, nur Gutes zu berichten! Im Sport zum Beispiel gewinnt immer jemand, und der nächste Absturz von Hertha kriegt dann einfach die Überschrift: „Frankfurt gibt die rote Laterne ab.“ Schlechte Nachrichten aus der Politik werden durch richtige Stichworte („Herr Bürgermeister, wie waren die Festtage?“) abgeschafft, und ansonsten stellen wir einfach alle Verlautbarungen ohne diese ätzenden kritischen Fragen so ins Blatt, wie sie kommen: Bombenstimmung auf der Titanic! Eisberge stehen Spalier! Dumm ist natürlich, wenn beispielsweise bei einem Flugzeugabsturz kein einziger überlebender Insasse für die gute Nachricht bereit steht – dann könnte manch aufmerksamer Leser doch was vermissen. Läuft es langfristig auf die Doppelzeitung hinaus, wahlweise mit guten oder schlechten Nachrichten? Bei näherem Hinsehen ist die gute alte gemischte wohl doch noch nicht ganz von gestern.

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