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Für Deutschland war die Mauer eine Tragödie, für die Weltpolitik das Ende einer Krise.

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50 Jahre Mauerbau: Für die Weltpolitik war die Mauer das Ende einer Krise

Für Deutschland war die Mauer eine Tragödie. Für die Weltpolitik bedeutete sie jedoch eine Entspannung, die selbst durch die Panzer an Checkpoint Charlie nicht ernsthaft gefährdet war.

Gab es eine Alternative zum Bau der Berliner Mauer? Eine, die die USA hätten erzwingen können? Am oder nach dem 13. August, ehe die Mauer tatsächlich gemauert war? Die Abriegelung der Sektorengrenze – denn das war es zunächst, nicht weniger, aber auch nicht mehr – traf die Westmächte, dem Anschein nach, vollkommen unvorbereitet.

Doch so ganz unvorbereitet waren vor allem die USA und ihr erst wenige Monate amtierender Präsident Kennedy nicht. Die Berlin-Krise des Jahres 1961 zog sich bereits eine Weile hin, und Parteichef Chruschtschow, der mächtige Mann der Sowjetunion, hatte dem jungen Präsidenten beim Gipfeltreffen in Wien deutlich gemacht, dass er das „Schlupfloch West-Berlin“ zu schließen gedenke.

Kennedy hätte auf der strikten Einhaltung der Viermächtevereinbarung über Gesamt-Berlin beharren können. Noch galt der Berlin- Status, noch gab es die Alliierte Kommandantur als höchste Instanz der Stadt. Doch Kennedy hatte andere, größere Sorgen – seit Jahren balancierten die beiden Supermächte am Rande eines Atomkriegs. Es herrschte das, was euphemistisch als „Gleichgewicht des Schreckens“ bezeichnet wurde – die wechselseitige Fähigkeit, den Feind atomar zu vernichten.

In dieser weltpolitischen Perspektive war Berlin nicht mehr als ein Störfaktor. Zu lange schon dauerte der Streit um die Stadt; spätestens seit 1948 und dem Beginn der Berlin-Blockade als dem Versuch der Sowjetunion, die Westsektoren Berlins gewaltsam zu vereinnahmen. Dieser Versuch scheiterte dank der Luftbrücke, doch das Problem blieb, es wuchs noch mit der Zahl der „Republikflüchtlinge“, die die DDR via West-Berlin hinter sich ließen.

Dann kam also die Mauer, und es gab nochmals eine Aufwallung, die die Supermächte an den Rand des Atomkrieges zu bringen schien, gemäß der Devise „Ein Schuss an der Berliner Mauer löst den Dritten Weltkrieg aus“. So war es nicht, auch wenn sich Ende Oktober 1961 die Panzer am Checkpoint Charlie gegenüberstanden. Es war der Test der Sowjets, wie weit die USA nachzugeben bereit waren.

Kennedy ging es um das, was alsbald als „Three Essentials“ Grundlage der amerikanischen Berlin-Politik wurde: Anwesenheit der Alliierten, freier Zugang und Lebensfähigkeit West-Berlins. Mehr nicht. Die Freizügigkeit der DDR-Deutschen war nicht gemeint. „Es ist keine besonders angenehme Lösung“, sagte Kennedy im vertrauten Kreis, „aber eine Mauer ist verdammt viel besser als ein Krieg.“

Egon Bahr, der Architekt der Entspannungspolitik, formuliert es nüchtern: „Die Berliner haben sich sicher gefühlt im Schutze der Mauer.“ Sicher, zumindest deutlich sicherer, durfte sich die Welt fühlen, als die Mauer einmal stand. Damit war der finstere Schatten der Mauer, die Bedrückung im Alltag, an die Deutschen delegiert und stand nicht länger auf der Agenda der Weltpolitik.

Die Panzer am Checkpoint Charlie – so furchterregend sie auch wirkten, sie waren nur die Drohkulisse eines Dramas, dessen Ende bereits beschlossen war.

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