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Meinung: Ab in die Tonne

Der Grüne Punkt könnte bald überflüssig werden

Alexander S. Kekulé Dieser Tage sorgt eine riesige gelbe Tonne für Aufsehen. Sie wird von zwei schweren Sattelschleppern kreuz und quer durch die Republik gefahren und bei Großveranstaltungen zur Schau gestellt: Der Grüne Punkt feiert seinen erfolgreichen Vormarsch in die Europäische Union, neun der zehn Beitrittsländer haben das deutsche System übernommen. Heute soll das gelbe Plastikmonstrum, als krönender Abschluss der „Europäischen Recyclingwoche“, triumphalen Einzug in die Hauptstadt halten und auf dem Berliner Schlossplatz aufgestellt werden.

Die spektakuläre PRAktion kommt nicht von Ungefähr – unter Fachleuten ist der Grüne Punkt umstrittener als je zuvor. Dabei klang die Idee des früheren Umweltministers Klaus Töpfer so plausibel: Weil über die Hälfte des Hausmülls Verpackungen sind, müssen die Produzenten für ihre Schachteln, Flaschen und Tuben vorab bezahlen und bekommen dafür den „Grünen Punkt“. Die Verbraucher werfen die grünbepunkteten Verpackungen in gelbe Tonnen (grün war schon für die Biotonne vergeben), deren Inhalt dann vom einbezahlten Geld recycelt wird. Dafür wurde vor 14 Jahren eine Non-Profit-Organisation gegründet, die Duales System Deutschland AG (DSD).

Doch das „weltweit komplizierteste Müllsystem“ („Financial Times“) erwies sich als teuer und wenig effizient, trotz der im Ausland bestaunten Begeisterung der Deutschen fürs Müllsortieren. Die Hälfte der Verpackungen landet unvorschriftsmäßig in den grauen Restmülltonnen und entgeht der vorab bezahlten Wiederverwertung. Die andere Hälfte ist mit „Fehlwürfen“ durchsetzt und muss deshalb aufwändig nachsortiert werden. Die zurückgewonnenen Kunststoffe sind stark verunreinigt und taugen gerade mal für Plastikrohre, Parkbänke und neue gelbe Tonnen. Kritiker bemängeln, dass Alternativen zu den Altplastik-Produkten – etwa Parkbänke aus Holz – ökologisch oft sinnvoller wären. Ein erheblicher Anteil des Plastikmülls wird obendrein gar nicht „wertstofflich“, sondern nur „rohstofflich“ verwertet – etwa unter hohen Drücken und Temperaturen zu Methanol umgesetzt. Als chemischer Rohstoff ist der DSD-Müll jedoch 25 Mal teurer als Erdöl.

Neuerdings machen auch noch die Maschinen den Menschen Konkurrenz beim Müllsortieren. Mit Laserdetektoren und Roboterarmen ausgestattete Hightech-Anlagen picken aus ganz normalem Hausmüll Eisenmetalle, Nichteisenmetalle, Batterien, Folien, Papier, PET-Flaschen, Polypropylen und vieles andere mehr. Der Rest kann zur Energieerzeugung verbrannt oder sogar, beim so genannten „Trockenstabilat-Verfahren“, wie Plastikmüll rohstofflich verwertet werden. Wenn man die Fehlwürfe mit einrechnet, sind die neuen Sortieranlagen bereits ähnlich effizient wie das duale System – für einen Bruchteil der Kosten von 1,9 Milliarden Euro jährlich. Statt das Geld für den – vergleichsweise harmlosen – Verpackungsmüll auszugeben, könnte ein Drei-Tonnen-System (Rest- und Verpackungsmüll, Bio, Papier) den ökologischen Zweck besser erfüllen.

Trotzdem hält die DSD weiter an Abfalltrennung und gelber Tonne fest – zumindest bei ihren lautstarken Kampagnen. Bis vor kurzem hatte der Monopolist auch keinen Grund zum Umdenken, zumal er zu einem Drittel Unternehmen der Entsorgungswirtschaft gehörte, die an jeder zusätzlichen Mülltonne verdienten. Im vergangenen Jahr erzwang das Kartellamt jedoch die Zulassung von Konkurrenten, zugleich flogen die Entsorger aus dem Aufsichtsrat. Man darf daher hoffen, dass der Grüne Punkt demnächst gründlich recycelt wird.

Der Autor ist Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie in Halle. Foto: Jacqueline Peyer

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