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Meinung: Abschied vom Bierdeckel

Die neue Steuerbescheidenheit der Union

Von Antje Sirleschtov

Es war so etwas wie ein Hoffnungsschimmer, das Steuerkonzept des CDU-Politikers Friedrich Merz. Nicht, dass alles, was sich der Sauerländer zur Senkung und Vereinfachung der Einkommensteuer ausgedacht hatte, eins zu eins umsetzbar gewesen wäre. Aber es klang doch überzeugend. Und es schien gut hineinzupassen in eine Zeit, in der es die Menschen leid sind, unentschlossenen Politikern beim Herumschnippeln an Sozial- und Finanzsystemen zuzusehen, an deren Verlässlichkeit eine Mehrheit der Bevölkerung im Grunde genommen nicht mehr glaubt. Friedrich Merz wollte das deutsche Steuergestrüpp der letzten 50 Jahre ordentlich entwirren, die von vielen längst als ungerecht empfundenen Ausnahmeregelungen abschaffen und am Ende das komplizierte Steuerformular eines jeden Arbeitnehmers auf Bierdeckelformat zurechtstutzen. Genau so, wie es der Sachverständigenrat und auch der Finanzprofessor Paul Kirchhof mit ihren Vorschlägen vorhaben. Klare Botschaft: Der Staat zieht sich aus seiner allumfassenden Schutzfunktion zurück und gibt den Bürgern ein Stückchen finanzielle Freiheit zurück.

So hatten wir uns den Beginn einer großen Steuerreform-Diskussion vorgestellt. Anno 2003, als die Bundesregierung den Bürgern gerade weismachen wollte, dass Subventionen abgeschafft werden müssen, damit Politiker mehr Geld in die Hand bekommen, um Wohltaten zu verteilen. Und als die CDU beschloss, sich mit klaren Konzepten zum Umbau der Sozial- und Steuersysteme auf die Ablösung der Regierung in zwei Jahren vorzubereiten.

Doch diese Zeiten sind vorbei. Vorige Woche hat sich die Opposition schon heimlich von ihrem Anspruch verabschiedet, das deutsche Steuersystem vom Kopf auf die Füße zu stellen. Unisono rechneten die Finanzminister der Länder nach gründlichem Studium der vorliegenden Reformpläne vor: Es gibt kein Geld, und damit gibt es auch keine große Steuerreform. So viel Einigkeit hätte es mal in der Länderkammer im letzten Dezember geben sollen. Und am nächsten Wochenende folgt der zweite Schritt. Friedrich Merz, so viel steht fest, wird seine ehrgeizigen Pläne zur Steuerreform den Zielen der CSU opfern. Ein bisschen Veränderung hier, ein wenig Glättung dort. Am Ende wird nicht viel übrig bleiben, kein radikaler Abbau von Pauschalen und Zulagen, kein Bierdeckelformat. Nur die Hoffnung auf eine klitzekleine Senkung der Steuersätze. Wenn die Union 2006 die Regierung ablöst. Und wenn es dann nicht wieder in den Bundesländern heißt: Dem Staat geht es schlecht.

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