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Abschied von Bush: Präsident der Angst

Es sind zwei mächtige Kräfte, die da miteinander ringen, im Leben der Menschen wie in der Politik: die Angst und das Selbstvertrauen. Beim Präsidentenwechsel in den USA tritt der Antagonismus exemplarisch hervor. Barack Obama hat gesiegt, weil er darauf setzte, dass die Amerikaner den Glauben an ihre Kräfte zurückgewinnen wollen – yes, we can! George W. Bush hatte mit der Angst Politik gemacht.

Noch in seiner Abschiedsrede stellte Bush die Furcht vor dem Terror in den Mittelpunkt. Ihm geht es um sein Bild in der Geschichte. Er habe Amerika sicherer gemacht. In den siebeneinhalb Jahren seit dem 11. September 2001 blieb Amerika von Anschlägen verschont.

Es hatte einmal einen anderen George W. Bush gegeben. Ursprünglich – und uramerikanisch – hatte auch er auf das Selbstvertrauen gebaut. Er zog gegen Isolationismus und Protektionismus zu Felde, strebte die Öffnung nach Mexiko, Mittel- und Südamerika an, propagierte die Leistungsfähigkeit der freien Marktwirtschaft und die Überlegenheit offener, demokratischer Gesellschaften. Eindringlich hat er dieses Credo noch einmal wiederholt, als sein politisches Testament: In der Krise sei die Verlockung groß, sich abzuschotten, Amerika dürfe ihr nicht nachgeben. Er fühlt sich verkannt. Er hofft, dass die Historiker sein Bild milder zeichnen, als es die Tages chronisten heute tun. Er hat sich für Afrika eingesetzt und Milliarden für den Kampf gegen Aids ausgegeben, ein partnerschaftliches Verhältnis zu China gepflegt und größere Gebiete unter Naturschutz gestellt als je ein Präsident vor ihm. Das geht im Abschied fast unter.

Denn das Bild seiner Präsidentschaft ist bereits wie in Stein gemeißelt. Es wird vom Kampf gegen den Terror geprägt. 9/11 war der tiefe Einschnitt, der seiner Regierung nur sieben Monate nach Amtsantritt eine neue, völlig ungeplante Richtung aufzwang. Von da an war Angst Trumpf. Angst vor Anschlägen, Angst vor Schurkenstaaten, Angst vor Saddams Massenvernichtungswaffen. Die USA wurden zu einer Gesellschaft im mentalen Verteidigungszustand. Sie lernte, die Tage nach der Farbskala der aktuellen Bedrohungsanalyse zu unterscheiden – gelb, orange, rot – und mit vorher ungekannten Sicherheitsvorkehrungen zu leben. Angst war auch die Wunderwaffe nach außen. Nicht von ungefähr hieß die Kriegsstrategie gegen Irak „shock and awe“. Angst war die Geisteshaltung, die zu Guantanamo, dem Folterskandal in Abu Ghraib, CIA-Geheimgefängnissen und Abhörmaßnahmen ohne richterliche Billigung führte. Dem Klima der Angst verdankte Bush die Wiederwahl 2004.

Obama predigt das Gegenteil. „Unsere Kinder dürfen nicht in einem Klima der Angst aufwachsen.“ Und: „Ich habe keine Angst, mit den Mullahs im Iran zu verhandeln.“ Er folgt dem berühmten Zitat des Präsidenten Franklin D. Roosevelt, der Amerika durch die Depression der 30er Jahre und den Zweiten Weltkrieg führte: „The only thing we have to fear is fear itself.“ Das Einzige, was wir zu fürchten haben, ist die Angst selbst.

Das klingt mitreißend, beinhaltet aber ein Risiko. Die Bush-Nostalgie dürfte bei vielen Amerikanern einsetzen, wenn – Gott behüte! – ein Anschlag passiert. Für den Moment labt sich Amerika am Gegensatz der beiden, optisch und rhetorisch. Die Medien zeigen Bilder von Bushs Amtsantritt vor acht Jahren. Da fällt so richtig auf, wie grau er geworden ist und wie müde er aussieht. Obama wirkt jung und energiegeladen. Optimismus statt Bedrückung, Angst ist von gestern. Kann Obama auf Dauer stärker sein als sie?

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