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Rücktritt nach 13 Jahren: Heinz Buschkowsky (SPD) gibt sein Amt als Bezirksbürgermeister von Neukölln auf.

© dpa/Paul Zinken

Abschied von Heinz Buschkowsky: Ein Thilo Sarrazin mit Empathie

Er war populistisch, eitel, beliebt - und für seine SPD so wichtig an der rechten Flanke: Heinz Buschkowsky wollte immer der Mann der kleinen Leute bleiben. Doch sein politisches Draufgängertum stirbt aus. Ein Kommentar

Berlin ist auch nur ein Dorf. Genauer gesagt, 96 Dörfer. In den kleinen Kiezen passiert das große Ganze, das die Hauptstadt bewegt – und bei Aufregern gleich die ganze Republik. In jedem Dorf braucht es auch einen Dorfkönig. Der größte unter ihnen, der präsenteste und talentierteste war und ist zweifelsohne Heinz Buschkowsky.

Mit seiner Art, den Menschen vor seiner Rathaustür auf den Mund zu schauen (in den sie zwar gerne mal einen Döner schieben, die aber trotzdem ein bisschen Angst vor Parallelgesellschaften haben), hätte er es eigentlich viel weiter bringen können als bis zum Bezirksbürgermeister von Neukölln. Doch am Ende stand er einer noch größeren Karriere auch selbst im Weg. Mit seiner Verbitterung, mit seiner Eitelkeit, auch mit seinen grenzpopulistischen Thesen. Und, wie man jetzt hört, auch wegen seiner Gesundheit.

Ob man seine polternde, auch rechthaberische Art mag oder nicht, ob man seine zuweilen absichtlich undeutlichen politischen Ansichten teilt oder nicht, ob man seine (mit tätiger Mithilfe des Bezirksamts erstellten) Bücher als Privatmeinung eines Sonnenkönigs der Straße abtut oder nicht: Eines wird immer bleiben vom Politiker Heinz Buschkowsky – eine Berliner Art der Schnoddrigkeit und emotionalen Pointiertheit, die die Wähler mehr und mehr vermissen. Das politische Draufgängertum stirbt in Zeiten der Merkel-Raute aus. Berlin erwartet im kommenden Jahr das weichgespülte Rennen ums Rote Rathaus zwischen Michael Müller und Frank Henkel.

Berlin verliert seinen Dorfkönig

Natürlich hat Buschkowsky, der nicht immer wie ein Sozialdemokrat redete, aber immer ein Mann der kleinen Leute bleiben wollte und deshalb im Herzen ein echter Sozialdemokrat war, eine politische Flanke abgedeckt, die gerade in diesen Zeiten wieder wichtiger wird: die rechte Flanke der SPD. Buschkowsky hat Stimmungen erspürt und sich nach ihnen gerichtet. Manchmal zu schnell, zuweilen zu populistisch – aber doch (oder gerade deshalb) wirkungsvoll. Er war ein Thilo Sarrazin mit eingebauter Empathie.

Dass SPD-Chef Sigmar Gabriel jetzt im Herrenfreizeitdress nach Dresden fuhr, um einer Debatte mit Pegida-Anhängern beizuwohnen, zeigt, dass hier ein weites Terrain für die demokratischen Parteien zur Bewirtschaftung brachliegt. Buschkowsky hat sich nie von diesem Acker gemacht.

So blieb er bis zu diesem Dienstag ein Faktotum der Berliner Politik. Und auch der Sozialdemokratie. Er hatte beste Umfragewerte und war gut vernetzt – beides verlieh ihm Macht in der Partei (auch wenn seine Hausmacht in Neukölln still bröckelte). Als die Partei nach der letzten Flughafenpleite den fälligen Rückzug des ausgebrannten Stadtmaskottchens Klaus Wowereit erwartete, fuhr Fraktionschef Raed Saleh heimlich zu Buschkowsky ins kleine Rathaus und trug ihm die Nachfolge für das große Amt an. Aber Wowereit, auch so eine Schnodderschnauze mit Mut zum gelegentlichen Risiko, machte noch einmal weiter. Und Buschkowsky wurde gewahr, dass er für das kleine Ganze zuständig bleiben würde.

Heinz Buschkowsky tritt zurück. Berlin verliert seinen Dorfkönig. Es fehlt einer für die ganze Stadt.

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