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Außenminister Guido Westerwelle hatte große Hoffnungen in die Arabellion gesetzt.

© Reuters

Ägypten unter Mursi: Westerwelle hat sich bei der Arabellion verschätzt

Deutschlands Außenminister ermunterte Präsident Mursi, als dieser in sein Amt gelangte. Aber um Demokratie geht es diesem wohl gar nicht - das zeigen die Urteile gegen deutsche Stiftungsmitarbeiter. Anders als Hans-Dietrich Genscher fehlt Westerwelle die Instinktsicherheit.

Balance halten – das war die Königsdisziplin des deutschen Langzeitaußenministers Hans-Dietrich Genscher. Immer spüren, woher der Wind weht und vor allem, wohin er die Wolken treibt. Im permanenten Dialog mit den Weltwettermachern mithalten und im Idealfall sogar die Richtung der globalen Diplomatie beeinflussen. Im KSZE- Prozess, der das Bürgerrecht auf Information auch im Ostblock stärkte, gelang ihm damit ein Meisterstück. Sein Nachfolger im Geiste, Guido Westerwelle, wandelt auf Genschers Spuren, wenn er im Maghreb und im Nahen und Mittleren Osten die Kräfte der Arabellion ermutigen und Deutschland im Spiel halten will. Anders aber als dem großen Alten fehlt seinem Jünger die Instinktsicherheit.

Als erster westlicher Außenminister traf Westerwelle im Juli vergangenen Jahres den neuen ägyptischen Präsidenten, Mohammed Mursi. Er sprach ihm sein Vertrauen, also das der deutschen Regierung aus, dass Mursi die weitere Demokratisierung des Landes vorantreiben und sich für Rechtsstaatlichkeit, Pluralität und religiöse Toleranz einsetzen werde. Als Mursi im November seine Macht auszuweiten und sich der Kontrolle der Justiz zu entziehen suchte, äußerte der Außenminister Besorgnis, setzte aber weiter auf Hoffnung.

Im Vorfeld des ersten Deutschlandbesuches des bekennenden Islamisten Mursi riet der Außenminister den Deutschen zu „strategischer Geduld“ und gab sich im ARD-Morgenmagazin überzeugt, dass der neue ägyptische Präsident am Friedensprozess mit Israel festhalte, obwohl der noch zwei Jahre zuvor die Ägypter aufgefordert hatte, ihre Kinder im Hass auf Israel und die Juden zu erziehen.

Nun droht die deutsche Balanceübung zwischen Hoffen und Mahnen endgültig zu kippen, weil aus dem Ägypten Mursis immer mehr besorgniserregende Signale kommen. Zwar könnten die jüngsten, nun auch von Westerwelle klar kritisierten, harten Urteile gegen Mitarbeiter ausländischer Organisationen wie der Konrad-Adenauer-Stiftung auch ein Versuch der Mubarak-treuen, konservativen Justiz sein, den neuen Präsidenten zu diskreditieren. Aber wenn dem so wäre, hätte es ja aus dem Umfeld Mursis Signale der Distanzierung von den Haftstrafen gegen ausländische Mitarbeiter von NGOs geben können. Davon kann keine Rede sein, ganz im Gegenteil.

Die Attacken gegen Organisationen, die die Zivilgesellschaft stärken, entsprechen geradezu spiegelbildlich den russischen Sanktionen gegen die Stiftungen. Sie sind Ausfluss der systemimmanenten Angst von Diktaturen vor Meinungs- und Pressefreiheit. Das sprunghafte Ansteigen der Verfahren wegen Gotteslästerung zeigt, dass im neuen Ägypten auch von Religionsfreiheit keine Rede sein kann. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte berichtet von sieben Todesurteilen wegen Blasphemie. Koptische Christen durchleiden Todesängste. Wie Ägypten mit solchen Rückfällen in die staatliche Willkür ausländisches Vertrauen aufbauen und um Touristen und Investitionen werben will, ist ein Rätsel. Das Land ist auf dem Wege, für den Westen zur No-go-Area zu werden.

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