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Klarer Fall. Ein Ex-Politiker muss die Veröffentlichung seiner E-Mails ertragen, meint der Bundesgerichtshof

© Uli Deck/dpa

Ärger über die Justiz: Nicht jedes Wort muss auf die Waage

Drei neue Urteile von Bundesgerichten stärken die Meinungs- und Pressefreiheit gegenüber der Staatsgewalt. Gut so, denn Beamte, Richter und Politiker sollten gegenüber der Öffentlichkeit nicht kleinlich werden dürfen

Was ein Gerichtsprozess mit der Seele von Menschen veranstaltet, die unterliegen, ist Teil der Kulturgeschichte. Die Justiz darf froh sein, dass sich an ihr die Wut selten entlädt; wenn es aber geschieht, kann sie kleinlich werden. Wie im im Fall eines Mannes, dessen Klage wegen eines Anwaltsfehlers scheiterte und der dann auch noch verlor, als er von diesem entschädigt werden wollte. In einem Brief an die Richter, den Gerichtspräsidenten und den Justizminister ließ er Dampf ab: „Farce und Finte“ nennt er seinen Termin, wirft seiner Richterin „perfide Lüge“ vor, meint, sie müsse „effizient“ bestraft werden, bevor sie „auf eine schiefe Bahn gerät“. Beleidigung, 1600 Euro Geldstrafe.

Vielleicht versöhnt es den Mann, dass jetzt das Bundesverfassungsgericht eingegriffen hat. Wer sich von der Justiz gekränkt fühlt, darf es ihr sagen, so die Richter. Auch in überspitzter Form. Eine nötige Klarstellung, die für alle Behörden und ihre Mitarbeiter gelten dürfte. Der Staat greift in das Leben seiner Bürger ein. Wenn es zu viel wird und Klagen nicht durchdringen – dann muss man sich wenigstens beklagen können.

Dazu passt eine zweite Entscheidung der vergangenen Woche. Das Bundesverwaltungsgericht bekräftigt den Anspruch, die Namen von Richtern, Anwälten oder Staatsanwältinnen zu erfahren. Die Beteiligten stehen kraft ihrer Ämter und Funktionen im Blickfeld der Öffentlichkeit, heißt es im Urteil. Also sollen sie sich nicht unter ihren Roben verstecken.

Gut so. Der Staat darf jenen einiges zumuten, die seine Gewalt organisieren. Zumal, wenn sie es in herausgehobenen Positionen tun. So sieht es, dritter Fall, auch der Bundesgerichtshof, der jetzt Brandenburgs früheren Innenminister Rainer Speer von der SPD durchfallen ließ. Speer musste vor vier Jahren zurücktreten. Unter anderem warf man ihm vor, sich vor Unterhaltszahlungen für ein uneheliches Kind gedrückt und stattdessen den Staat bezahlt haben zu lassen. Ruchbar wurde die Geschichte, weil die „Bild“ E-Mails aus Speers Laptop veröffentlichte. Er war ihm geklaut worden.

Keine feine Sache. Aber Journalismus darf von Verrat und, wenn beides zusammenfällt, auch von Straftaten profitieren. Dass eine Information rechtswidrig beschafft wurde, macht es nicht unmöglich, sie zu verwerten. Schon gar nicht bei einem wie Speer. Seine Klage war dreist, die Urteile der Berliner Gerichte, die ihr stattgaben, erscheinen schräg. Speers unfeines Verhalten war keine Privatsache mehr. Und seine Mails damit auch nicht. Die Bundesrichter haben es ihm so deutlich und ernst gesagt, dass sich der Mann beleidigt fühlen darf.

Justitias Waage ist eine Allegorie der Gerechtigkeit. Es sollte zu allem, was auf ihr gewogen werden muss, nicht auch noch jedes Wort gelegt werden. Die Rede ist fast so frei wie das Denken.

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