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Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erwartet, dass Griechenland ein neues Hilfspaket benötigen wird.

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Äußerungen von Wolfgang Schäuble zu Griechenland: Die Euro-Krise ist nicht vom Tisch

Finanzminister Wolfgang Schäuble weiß offenbar, dass sich das Thema Griechenland nicht mehr bis zur Bundestagswahl im Ungefähren halten lässt. Damit hat er zwar vielleicht die Kanzlerin verärgert - aber er hat nur ausgesprochen, was alle ahnen.

Der Unterschied zwischen Ahnen und Wissen ist der zwischen Munkeln und Aussprechen. Man könnte auch sagen: Zwischen beiden Begriffen verläuft der Graben zwischen Unmündigkeit und Mündigkeit. Als die Bundeskanzlerin 2010 angesichts der offenkundigen Finanzkrise Griechenlands sagte, dass es für dieses Land keinen Cent geben werde, konnte sie nicht nur ahnen, sondern auch wissen, dass ihre Aussage nicht der Wahrheit entspricht. Tatsächlich bediente sie mit ihrer Ablehnung die Lautsprecher der Boulevardzeitungen und den konservativen Flügel der eigenen Partei.

Wolfgang Schäuble wollte dieses Spiel offenbar nicht mehr weiterführen, als er am Dienstag nach einem Wahlkampfauftritt sagte: „Es wird in Griechenland noch einmal ein Programm geben müssen.“ Er formulierte so, obwohl sich aus dem Ablauf der Diskussion keine zwingende Notwendigkeit dazu erkennen ließ. Da der Finanzminister durchaus zu verschwurbelten Sätzen neigt, wenn er sich nicht festlegen will, muss man Absicht unterstellen. Er ahnte offenbar, das Thema Griechenland nicht bis zum 22. September im Ungefähren halten zu können, und bestimmte deshalb den Zeitpunkt für den Kurswechsel selbst.

Gerhard Schröder, der am gleichen Abend in Detmold in den Wahlkampf einstieg, spielte die Kanzlerin und ihren Finanzminister verbal gegeneinander aus: Als Angela Merkel abwiegelte, sie sehe keine Notwendigkeit für ein drittes Hilfspaket, habe sie – im Gegensatz zu Schäuble – offenbar die falsche Brille aufgehabt. Die Kanzlerin müsse den Deutschen noch vor der Wahl „reinen Wein einschenken“. Hat die SPD endlich ein zugkräftiges Wahlkampfthema gefunden?

Kaum. Die Sozialdemokraten haben alle bisherigen Stützungsmaßnahmen für Griechenland im Parlament mitgetragen. Sie sind dafür sowohl gescholten als auch gelobt worden, aber an dem Faktum kommen sie nicht vorbei, und nach ziemlich breiter Übereinstimmung haben sie sich damit auch verantwortungsbewusst verhalten. Wenn sich im Parlament der wichtigsten Wirtschaftsnation der EU und der Euro-Zone die beiden größten Parteien über den möglichen Sanierungskurs für notleidende Länder zerstritten hätten, wäre die Wirkung für die Stabilität des Euro verheerend gewesen. Wolfgang Schäuble mag die Kanzlerin mit seinen Worten von der Notwendigkeit eines weiteren Programms ge- oder verärgert haben. Tatsächlich hat er nur die Kluft zwischen dem, was alle ahnen, und dem, was man wissen sollte und müsste, geschlossen und an die Mündigkeit der Bürger appelliert. Das war einfach schlauer, als weiter im Ungefähren zu bleiben.

Wer die Formulierung genauer analysiert, stellt ohnehin fest, dass der Finanzminister sich nicht festgelegt hat. Ob eine Streckung der Griechenland-Kredite, eine Reduzierung der Zinsen oder ein weiterer Schuldenschnitt – alles ist abgedeckt mit: „Es wird noch einmal ein Programm geben müssen.“ Man kann darüber streiten, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn Merkel vor drei Jahren weniger zögerlich und ängstlich agiert hätte. Da niemand beweisen kann, dass die Krise dann anders verlaufen wäre, ist es müßig.

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