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Ursula von der Leyen blickt schonmal in die Zukunft.

© dapd

Äußerungen zu Europa: Ursula von der Leyen bringt sich in Stellung

Ursula von der Leyen bewirbt sich mit ihren Europa-Vorstößen für die Nach-Merkel-Zeit. Ob sie damit Erfolg haben wird, ist jetzt noch nicht abzusehen.

In der CDU findet gerade eine beachtliche Paradoxie statt. Dachte man doch eben noch, mit Helmut Kohls Einlassungen sei der Endpunkt für Merkel erreicht. Tatsächlich war es nur der Tiefpunkt, der die Wende möglich macht. Denn der Altkanzler hat dem Letzten in der Union die Größe des politischen Stoffs vor Augen geführt. Weil Schicksalsfragen die Bedenken einzelner Abgeordneter weit überragen, kann Merkel die Schlacht im September gewinnen.

Die Dramaturgie hat allerdings die Risiken einer Hochdosistherapie. Die Situation ist da, hätte Adenauer gesagt. Man kann offenbar in der CDU schon einmal die neue Familienaufstellung proben. Macht wird in Parteien nicht geordnet übergeben, weiß Ursula von der Leyen. Mut hat sie, die Arbeitsministerin aus christdemokratischem Elternhaus. Mitten im Getümmel der vergangenen Woche verlangte sie unvermittelt das Gold der Griechen als Sicherheit.

Ein Vorschlag, der hochrangiger nicht abgeschmettert werden konnte. Erst Volker Kauder, dann Wolfgang Schäuble, schließlich die Kanzlerin bescheinigten der Ministerin, keine Ahnung zu haben. Und während Leyen das alles widerfuhr, hatte Merkel große Bühne in der Bundestagsfraktion. Ihre Ausführungen zur neuen Konkurrenz in der Welt rückten Altkanzler und Kanzlerin auf die historischen Plätze. Kohl, der von gestern, Merkel auf der Höhe der Zeit, „ihrer Zeit“.

Von der Leyen bleibt hartnäckig: Lesen Sie weiter auf Seite 2

Leyen legte trotzdem unverdrossen nach. Nachdem sie mit dem Gold zunächst das Bedürfnis der Ihren bedient hatte, den Griechen das gute deutsche Geld nicht einfach nachzuwerfen, folgten in dieser Woche die Vereinigten Staaten von Europa, für die sie in einem Magazin-Interview kämpferisch die Fäuste ballt. Begrifflich und bildlich das Gegenteil der amtierenden Kanzlerin, die einfach nicht verstehen will, dass es Christdemokraten mitunter nicht nach Gold, sondern nach Fleisch und Blut ihres Führungspersonals verlangt. Angela Merkel kann und will kein Pathos. Dass Politik nicht nur gemacht werden, sondern Menschen überzeugen muss, ist ihr lästig.

Leyen liebt den öffentlichen Auftritt, das eindringliche Argumentieren, den großen Wurf. Eine vom Schlage Merkel, also unsentimental, sachlich, machtbewusst, ist sie nicht. Eher eine Politikerin neuen Typs, die bei ihrem Aufstieg inhaliert hat, dass der Weg zu Macht und Einfluss über Popularität und persönliche Inszenierungen führt. Sie hat dabei allerdings auch Abstürze wie die Beinah-Bundespräsidentin und Niederlagen wie die um das Hartz-IV-Paket erlebt und überstanden.

Man tritt ihr kein bisschen zu nahe, wenn man ihre Europa-Vorstöße als Bewerbung für die Nach-Merkel-Zeit bewertet. Sie hat mit den Vereinigten Staaten von Europa wie im Märchen „der Königin ihr Kind“ stibitzt, sie versucht, aus Merkels großem Defizit Funken zu schlagen, der Politik Ziel, Bedeutung, Melodie zu geben. Kann sein, dass Leyen in ihrer Partei, wenn es ernst wird, so isoliert bleibt, wie sie es war mit dem griechischen Gold. Sie hat als früherer Schützling und Protagonistin der kalten Merkel-Modernisierung durchaus Feindbildqualitäten in den Unionsparteien.

Wer in der CDU nach oben will, weiß immer erst danach, ob er zu früh oder zu spät gekommen ist. Merkels männliche Konkurrenz jedenfalls kam zu spät. Denn Merkel hatte als Einzige den Mut, die Emanzipation vom Übervater auf eigenes Risiko zu fordern. Merkels kühler Mut zum Vatermord wird diesmal nicht gebraucht. Sie ist keine Übermutter.

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