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Die Verteidigung konnte keine zwingenden Beweise vorlegen, die eine Freilassung von Strauss-Kahn gegen Kaution ermöglicht hätten.

© dpa

Affäre um IWF-Chef: Klebrige Vorwürfe gegen Strauss-Kahn

Wie die Geschichte auch ausgeht – ob sie sich zu ekliger Gewissheit verdichtet oder in Rauch auflöst –, sie wird Folgen haben. Vermutlich ist Dominique Strauss-Kahn weder als IWF-Chef noch als Kandidat der Sozialisten in Frankreich zu halten.

Von Anna Sauerbrey

Der Skandal hat alles, was es braucht: eine zwiespältige Hauptfigur, fachlich gefeiert und charakterlich verrufen. Eine luxuriöse Kulisse, eine Hotelsuite in Manhattan. Gewalt spielt eine Rolle, Macht und Sex. Schöner schauderlich könnte es eigentlich nicht sein als in dieser Geschichte um den Chef des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn. Ein Zimmermädchen wirft ihm vor, er habe versucht, sie zu vergewaltigen. Die Polizei holt den Franzosen Strauss-Kahn, der als Präsidentschaftskandidat der sozialistischen Partei für 2012 gehandelt wird, aus dem Flieger und sperrt ihn ein.

Das ist so bizarr, dass Verschwörungstheorien schnell gesponnen waren. Obwohl Strauss-Kahn als IWF-Chef seine Kandidatur noch nicht offiziell erklären konnte, galt sie unter den französischen Sozialisten doch als sicher. In den Umfragen lag er vor Präsident Nicolas Sarkozy. Und nur gut einen Monat, bevor die Sozialisten den internen Wahlkampf starten und sich auch Strauss-Kahn erklären muss, wirft man ihm versuchte Vergewaltigung vor? Die Strauss-Kahn-Vertraute Michèle Sabban spricht von einem politischen Attentat. Und die Zeitung „Le Monde“ weckt Zweifel an Details der Geschichte: Möglicherweise habe Strauss-Kahn ein Alibi.

Wie die Geschichte auch ausgeht – ob sie sich zu ekliger Gewissheit verdichtet oder in Rauch auflöst –, sie wird Folgen haben. Es gibt nichts, was besser klebt als Vorwürfe sexueller Gewalt, und gegen Strauss-Kahn wurden bereits am Montag weitere Beschuldigungen laut. Vermutlich ist er weder als IWF-Chef noch als Kandidat der Sozialisten zu halten.

Während sich die Auswirkungen auf den IWF in Grenzen halten dürften, wird der Abgang Strauss-Kahns die französischen Sozialisten empfindlich treffen. Nur mit Mühe hat die Partei ihre internen Streitigkeiten befriedet, gerade noch rechtzeitig zum Wahlkampfauftakt. Nun könnten die sozialistischen Alphatiere – Parteichefin Martine Aubry, Ex-Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal und François Hollande – sich erneut um die Führung balgen. Und das, während die extreme Rechte mit Marine Le Pen an der Spitze beständig stärker wird.

Dann ist da noch dieses Bild – ein Bild, das Frankreich in noch ganz anderer Weise berühren könnte. Es zeigt, wie Strauss-Kahn aus einer New Yorker Polizeistation geführt wird. Während die Beamten schäbige Krawatten tragen, ist der IWF-Chef akkurat frisiert, der Mantel sitzt, die Handschellen auch. Von der 3000-Dollar-Suite in eine Arrestzelle. Keine Hand mehr frei für ein Champagnerglas. Wie sich das wohl anfühlt?

Doch die Befriedigung, wenn ein ganz Großer fällt, ob zu Recht oder zu Unrecht, ist vielen Franzosen fremd. Sicher, auch in Frankreich gab es Debatten um den (vermeintlichen) Porsche des Vorzeige-Sozialisten, um seine luxuriösen Wohnungen und die Preise seiner Anzüge. Geschürt wurden sie allerdings meist vom politischen Gegner und haben seine Beliebtheit nicht nachhaltig beschädigt. Die Kultur des Politischen ist in Frankreich üppiger, man residiert im Palais, man speist mit schwerem Silber. Dass Amerikaner sich über einen Präsidenten erregen, der Sex mit einer Praktikantin hatte, dass die Deutschen am liebsten graue Technokraten wählen, wird sanft belächelt. Versuchte Vergewaltigung allerdings ist auch für Franzosen kein Kavaliersdelikt. Sollten sich die Vorwürfe gegen Strauss-Kahn bestätigen, könnte das ihren Blick auf die eigene politische Kultur verändern.

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