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Meinung: Afghanistan aufgeben

Sie mag nicht besonders geschickt gewesen sein, die Forderung des Kurt Beck nach Verhandlungen mit den Taliban, doch der Hohn seiner Gegner über den Mainzer Provinzpolitiker ist es noch weniger. Denn seit Deutschland am Hindukusch verteidigt wird, ist es allemal legitim, danach zu fragen, gegen wen und wie lange noch.

Sie mag nicht besonders geschickt gewesen sein, die Forderung des Kurt Beck nach Verhandlungen mit den Taliban, doch der Hohn seiner Gegner über den Mainzer Provinzpolitiker ist es noch weniger. Denn seit Deutschland am Hindukusch verteidigt wird, ist es allemal legitim, danach zu fragen, gegen wen und wie lange noch. Seit Jahren werden uns in Afghanistan wie im Irak Siege in einem Krieg gegen den Terror versprochen, dessen Gesicht unerkannt bleibt, dessen Erfolge aber offensichtlich zunehmen, wenn ihn nun schon deutsche Tornado-Flugzeuge stoppen sollen.

Es mag ja sein, dass asymmetrische Kriege nur schwer zu gewinnen sind, eine Erfahrung, die schon Napoleon in Spanien im Jahre 1808 machte und die deshalb so neu nicht ist, wie uns die Terrorexperten weismachen wollen. Schon damals reichte die Kraft des großen Korsen nicht aus, zugleich Krieg gegen Österreich, Russland, England und einen verborgenen Gegner zu führen, weshalb er Spanien räumen musste, noch ehe er bei Leipzig und anderswo geschlagen war. Denn auch damals schon galt, was nun offensichtlich den SPD-Vorsitzenden umtreibt – rein kommt man schnell, raus nur schwer.

Der Westen hat sich mit seiner fixen Idee von einem weltweiten Terrorkrieg entlang einer Achse des Bösen, den man gewinnen müsse, weil man ihn im Interesse der eigenen Sicherheit nicht verlieren dürfe, keinen Gefallen getan, da die regionalen Unterschiede zwischen der Hamas in Palästina, der Hisbollah im Libanon und den Taliban in Afghanistan so bis zur Unkenntlichkeit verwischt werden und der Terror zu einem neuen Drachen mit sieben Köpfen aufgeblasen wird. Doch schon die Tiroler Bauern um Andreas Hofer verband nichts mit den von Goya festgehaltenen spanischen Gotteskriegern.

Wenn der Besuch der demokratischen Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, bei Assad den amerikanischen Antiterrorkampf schwächt und Kurt Becks ungeschicktes Fragen den deutschen, müssen die Hoffnungen und Erfolge derer, die die Welt sicher für die Demokratie machen wollen, auf sehr wackligen Beinen stehen. Es ist deshalb an der Zeit, zumindest einmal den Versuch zu machen, nach regionalen Lösungen zu suchen, statt immer von Neuem die Unlösbarkeit des Problems zu beschwören. Doch darüber und auch über die Alternative, ob man Staaten, die man nicht retten kann, weil sich ihre Gesellschaften nicht retten lassen wollen, nicht besser aufgeben sollte, hat Kurt Beck noch gar nicht spekuliert.

Für Bismarck galt noch, dass der ganze Balkan nicht die Knochen eines pommerschen Grenadiers wert sei. Es gehört zu den bisher unbewiesenen Behauptungen der Antiterrorstrategen, dass im Zeitalter der Globalisierung jeder Fleck dieser Erde die Knochen amerikanischer, englischer oder auch deutscher Grenadiere wert sei.

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