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Meinung: Afghanistan: Außer Kontrolle

Krieg ist schmutzig, notwendigerweise. Die Gefangenenrevolte bei Masar-i-Scharif endete im Blutbad.

Krieg ist schmutzig, notwendigerweise. Die Gefangenenrevolte bei Masar-i-Scharif endete im Blutbad. Amerikanische Bomben gingen auf die Festung nieder. Bis zu 600 Taliban-Kämpfer kamen ums Leben. War das notwendig? Und verhältnismäßig?

Auch im Krieg für die gute Sache müssen Fragen erlaubt sein. Wie gelangten die Gefangenen in den Besitz von Waffen? Wie viele Taliban waren tatsächlich bewaffnet? Die Fernsehbilder zeigen ein blutiges Gemetzel zwischen den Aufständischen und den Kämpfern der Nordallianz. Die setzten Granatwerfer und Panzer ein, am Ende wurde die Revolte aus der Luft niedergebombt. Das alles ist völkerrechtlich fragwürdig.

Die Genfer Konventionen geben klare Regeln vor: Gefangene müssen menschlich behandelt werden, ihre körperliche Unversehrtheit muss gewahrt werden. In Afghanistan herrschen Anarchie und Chaos, ein Menschenleben zählt dort wenig. Es wäre naiv, zu glauben, der Westen könne am Hindukusch von heute auf morgen seine Werte durchsetzen. Aber darf er deshalb diesen Anspruch aufgeben? Oder, schlimmer noch: mittun bei einer groben Verletzung grundlegender Rechte?

Gewiss, es ist unklar, ob die Gefangenen von Masar-i-Scharif irgendwann zum Aufgeben bereit gewesen wären. Aber dies ist kein Einzelfall. Vor zwei Wochen, bei der Einnahme der Stadt, kam es zu Massenmorden. Über 400 Leichen fand man, die genauen Umstände blieben ungeklärt. Kämpfer der Nordallianz plündern Lebensmittel-Lager, sie morden, sie vergewaltigen. Die UN-Menschenrechtskommissarin warnt, der Westen schaut zu.

Die USA haben sich die Nordallianz im Afghanistan-Krieg zum Handlanger gemacht. Diese Strategie war militärisch erfolgreich. Fehlt der Weltmacht jetzt die Durchsetzungskraft, um Gewalt und Terror Einhalt zu gebieten? Seit dem Sturz der Taliban demonstrieren die USA, wo ihre Prioritäten liegen: in der Jagd auf bin Laden, der Zerschlagung seiner Al Qaida. Sie erwecken den Eindruck, das ihnen der Aufbau ziviler Strukturen, die Zukunft des Landes wenig am Herzen liegt. Das ist verantwortungslos und: unvernünftig. Die USA sollten ihren Einfluss auf die Nordallianz geltend machen, und deren Kämpfer in ihre Schranken weisen, mit aller Kraft. Sonst macht sich die US-Armee am Ende zum Handlanger der Nordallianz.

Simone von Stosch

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