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Meinung: Afghanistan-Berichterstattung: Die Waffe Bild

Bilder suggerieren mehr Wahrheit als Worte. Der Krieg, der jetzt seine Fortsetzung in Afghanistan findet, begann mit den stärksten Bildern, die man seit Jahren im Fernsehen gesehen hatte: Immer wieder rasten die Flugzeuge in die Türme, immer wieder fielen sie brennend in sich zusammen - bis man einfach glauben musste, dass das Unfassbare tatsächlich geschehen ist.

Bilder suggerieren mehr Wahrheit als Worte. Der Krieg, der jetzt seine Fortsetzung in Afghanistan findet, begann mit den stärksten Bildern, die man seit Jahren im Fernsehen gesehen hatte: Immer wieder rasten die Flugzeuge in die Türme, immer wieder fielen sie brennend in sich zusammen - bis man einfach glauben musste, dass das Unfassbare tatsächlich geschehen ist.

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Deshalb können Bilder Waffen sein. Sie legen eine direkte Kausalität nahe zwischen dem, was sie zeigen, und dem Zusammenhang, in den sie gestellt werden. Zum Beispiel die Bildersequenz im Fernsehen: erst der Abschuss einer Rakete, danach ein zerstörtes Haus. Oder die Zeitungsschlagzeile "Neue Angriffe auf Afghanistan" über einem Bild verwundeter Menschen. Wenn beides nicht zusammengehört - oder nicht so zusammengehört - dann lügen die Bilder, die so authentisch wirken. Zum Beispiel das gestrige Aufmacher-Foto im Tagesspiegel, das die Agentur mit einem falschen Text angeboten hatte. Das angebliche Opfer der US-Luftangriffe war tatsächlich ein Minen-Opfer.

Der Verband der Zeitungsverleger hat gestern bei der Verleihung des Theodor-Wolff-Preises gewarnt, in Kriegszeiten wachse die Gefahr, dass Journalisten vereinnahmt werden. Klar ist: Wer die Bilder des amerikanischen Aufmarschs und des "chirurgischen" Krieges zeigt - startende Kampfjets, Flugzeugträger, Bomben mit den Namen von Opfern in New York -, muss auch nach Bildern suchen, die zeigen, was die Waffen anrichten.

Doch viele dieser Fotos unterliegen der Zensur. Auf allen Seiten. Gezeigt werden soll, was der eigenen Propaganda dient. Unter welchen Einschränkungen Journalisten als Gäste der US-Navy arbeiten, darüber wird wenigstens berichtet (gestern im Tagesspiegel, Seite 2). Problematischer sind Informationen aus Afghanistan. Journalisten können dort nicht frei arbeiten, unterliegen Pressionen - ja: sind in Lebensgefahr, wenn sie Fotos und Informationen nach draußen bringen, die den Taliban schaden. Wie viele wahre Bilder können uns da überhaupt erreichen?

Und doch kann man deshalb nicht auf alle Bilder aus Afghanistan verzichten - das hieße, das Leid der Opfer zu ignorieren. Aber der Zweifel muss mehr Raum bekommen: Wie sicher ist, dass Verwundete Opfer amerikanischer Luftangriffe sind und nicht Opfer des internen Bürgerkriegs? Dass Männer mit Verbänden Zivilisten sind, wie es ihre Kleidung suggeriert? Und in welchen Kontext ordnen wir die Bilder von Flüchtlingsströmen und zerstörten Häusern ein, die ganz sicher kommen - der Bürgerkrieg hat Millionen Afghanen zu Flüchtlingen gemacht und Kabul zu einer Ruinenstadt.

Wenn man ahnt, welche Botschaft zum Beispiel Fotos von mullverpackten Händen aussenden - Amerika als Angreifer, Afghanen als Opfer -, müsste man dann nicht auch fragen: Warum haben westliche Medien solche Bilder in all den Jahren der Taliban-Herrschaft nicht regelmäßig gezeigt? Anlass dazu gab es fast täglich, nicht nur wegen der Minenfelder des Bürgerkriegs. Nach Taliban-Auslegung gehört das Abhacken der Hand zum islamischen Recht.

Luftangriffe, Verwundete, zerstörte Städte, Flüchtlinge: Mit den Bildern verschiebt sich allmählich das Gesamtbild des Konflikts. So war es schon im Kosovo-Krieg. Der Ausgangspunkt der Intervention - damals Milosevics Vertreibung der Albaner, heute der Angriff auf New York - verblasst trotz der Monströsität des Verbrechens, die weit weniger gravierenden Folgen des westlichen Handelns treten in den Vordergrund.

Diese Unsicherheit über den Wert des eigenen Tuns zeigt sich auch in dem Heldenepos dieser Tage: die Begeisterung für den angeblich so unabhängigen Fernseh-Sender Al Dschasira. Wenn selbst CNN auf dessen Bilder umschaltet, erweckt das den Eindruck: Die haben die glaubwürdigeren Informationen. Al Dschasira ist jedoch kein arabischer CNN. Der Sender hat sich auf einen Pakt mit dem Oberterroristen bin Laden eingelassen und sein Video genau dann gezeigt, als Amerika mit dem Gegenschlag begonnen hatte. Welches seriöse westliche Medium hätte sich zu diesem Geschäft bereit gefunden?

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