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Meinung: Afghanistan: Hilfe, die glauben das wirklich!

Kofi Annans Rettungsversuch für die Buddha-Statuen in Bamian ist gescheitert. Es war wohl ohnehin zu spät: Wahrscheinlich hatten die Taliban schon am Mittwoch große Teile der einzigartigen Kunstwerke gesprengt.

Kofi Annans Rettungsversuch für die Buddha-Statuen in Bamian ist gescheitert. Es war wohl ohnehin zu spät: Wahrscheinlich hatten die Taliban schon am Mittwoch große Teile der einzigartigen Kunstwerke gesprengt. Womit die Gotteskämpfer bewiesen hätten, dass es ihnen nicht darum ging, die Statuen als Geiseln für eine Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen Afghanistan zu verwenden. Aber was bezweckten sie dann?

War das ein verzweifeltes Notsignal an die Weltgemeinschaft, mit der die Taliban auf das Flüchtlingselend in dem von Dürren schwer geplagten Land aufmerksam machen wollten? Oder sollte nur Macht demonstriert werden? Schließlich sind die mehrheitlich zum Volk der Paschtunen gehörenden Taliban im Hochtal von Bamian alles andere als beliebt. Das dortige Völkergemisch aus Usbeken, Tadschiken, Turkmenen und Hazara sowie schiitischen Mongolen war schon 1997 nur mit Waffengewalt davon zu überzeugen gewesen, dass die Taliban der Region "Frieden und Sicherheit" bringen. Steht es also so schlecht um die Taliban, dass sie vorsorglich Muskeln zeigen - und 1500 Jahre altes Kulturgut zerstören?

Bisher scheint es jedenfalls im Innern keine Gruppe zu geben, die die Vorherrschaft der Gotteskrieger gefährden. Und auch von außen droht kaum Gefahr: Zwar befürchten Tadschikistan und Kirgisien den Export der islamistischen Infektion in ihr Land. Und selbst Pakistan, das die Taliban bisher mit Waffen versorgte, sieht mit Sorge, dass sich der Fundamentalismus der Taliban-Anhänger im eigenen Land radikalisiert. Aber sich in Afghanistan eine blutige Nase holen wie die Sowjetunion nach dem Einmarsch 1979 - das will niemand.

So zerbrechen wir uns den Kopf über die Motive der Taliban. Da muss doch mehr dahinter stecken als nur religiöser Fundamentalismus. Um Interessen soll es gehen, Machtabsicherung - diese Sprache verstehen wir. Und sie ist uns angenehmer, weil rationale Kosten-Nutzen-Rechnungen Politik berechenbar machen.

Das war schon das Problem des Westens mit Milosevic: Da wurden Handlungsszenarien erstellt, Optionen des Diktators diskutiert. Und dann machten die Milizen doch, was keiner für möglich hielt. Weil wir jene archaischen Gewalträusche nicht wahrhaben wollten, jene Allmachtgefühle der marodierenden Banden gegenüber wehrlosen Opfern. Weil wir all das Unzivilisierte, Vorzeitliche aus unserem Denken verbannt haben. Glauben, es gebannt zu haben, bloß schon dadurch, dass wir ihm nicht mal den Rang eines Erklärungsmodells zubilligen.

Und so halten wir den Islam für ein vorgeschobenes Argument der Taliban. Weil wir Angst haben vor der Sprengkraft letzter Wahrheiten. Vor unbedingten Überzeugungen, die nicht zugänglich sind für die Logik des Gebens und Nehmens. Die sagen: Ich will alles. Wegen dieses Unbehagens wollen wir uns nicht hineinversetzen in den Kopf eines afghanischen Bauern, der vielleicht wirklich glaubt, mit der Zerstörung der Buddhas die Gebote seiner Religion zu erfüllen. Weil er in Flüchtlingslagern aufgewachsen ist und das Land sich seit 23 Jahren im Krieg befindet. Weil nichts mehr Halt gibt außer den Gewissheiten, die der Imam in der Moschee verkündet.

Die Taliban sind daran gescheitert, den Afghanen Stabilität und bessere Lebensbedingungen zu schaffen. Hunderttausende Flüchtlinge sind der Beweis. Nun versuchen sie, wenigstens als die reinsten aller Muslime in die Geschichte einzugehen. Und mit einer kulturellen Säuberung alle Spuren anderer Religionen auf afghanischem Boden zu tilgen. Wie Milosevic sind sie nur mit Gewalt zu stoppen. Doch dazu fehlt der Wille, dazu ist Afghanistan zu unbedeutend. Und so können wir nur warten, dass die Taliban zur Vernunft kommen. Und uns fragen, wann und wodurch Religion zum Wahnsinn wird.

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