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Afghanistan und SPD: Die Haltungsnote

Im Herbst muss der Bundestag erneut über die Verlängerung der Afghanistanmandate entscheiden. Und in der SPD rumort es.

Das größte Problem für deutsche Sozialdemokraten – eingeklemmt in den Zwängen der großen Koalition, attackiert von Linken und Grünen – ist das Gefühl, sie reden anders, als sie handeln. Wort und Tat, Programm und Praxis fallen auseinander. Klassenkampfrhetorik und Unternehmensteuerreform passen eben schlecht zusammen. Auch deshalb blickt die Partei bang in den Herbst. Dann nämlich muss der Bundestag erneut über die Verlängerung der Afghanistanmandate entscheiden. Eine Mehrheit der Deutschen will den Abzug der Soldaten, die Linke ebenso, die Grünen werden einen Sonderparteitag abhalten. Und innerhalb der SPD rumort es. Gerechtigkeit, Mindestlohn, das Soziale – alles schön und gut. Aber das Friedensthema kann wahlentscheidend sein. Den Verlauf der Debatte bestimmt eine einfache Formel: Je schlechter es in Afghanistan läuft, desto größer die Not der SPD.

Am Wochenende nun hat Präsident Hamid Karsai überraschend schroff die Nato- geführte Schutztruppe kritisiert. „Wahllos und ungenau“ seien deren Einsätze. Immer mehr Zivilisten würden getötet. Dieser generelle Vorwurf wird durch keine spitzfindigen Unterscheidungen – hier die gute, friedensfördernde Nato-Mission, dort die böse, dreinschlagende US-Mission – entkräftet. Denn erfolgreich kann die gesamte Intervention nur sein, wenn beides gelingt, der zivile Wiederaufbau und das Zurückdrängen der Taliban. Ein neu gebautes Krankenhaus, das von einer Terrorbombe zerstört wird, nützt niemandem etwas.

Sehr viel stärker als bisher also müsste die SPD den Sinn auch der Kampfaufträge und Tornadoeinsätze betonen. Die meisten Ziviltoten gibt es durch massive Luftangriffe trotz mangelnder Aufklärung. Wer die Tornados abzieht und/oder die Zahl der Bodentruppen verringert, erhöht also das Risiko für die Zivilbevölkerung. Länder wie Großbritannien, Dänemark und Polen haben diesen Zusammenhang verstanden und verstärken ihr militärisches Engagement. Das von der deutschen Regierung zu erwarten, wäre naiv. Ihr Schicksal dürfte eher an das der italienischen Koalition erinnern. Die wäre im vergangenen Februar fast im Streit über Afghanistan auseinandergebrochen.

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