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Meinung: Afrika braucht Herkules

Wie kann der Kontinent es schaffen? Das Gipfeltreffen der Afrikanischen Union sucht Wege zur eigenständigen Konfliktlösung

Weit ist es nicht von Südafrika nach Mosambik. Südafrika: Dort hat sich 2002 die „Afrikanische Union“ (AU) gegründet, Nachfolgerin der „Organisation für afrikanische Einheit“ (OAU). Mosambik: Dort tagt die AU seit gestern. Und hofft. Auf bessere Zeiten – und auf sich selbst.

Wenn die Anerkennung von Realitäten und die Formulierung ehrgeiziger Ziele die Voraussetzung guter Politik ist, dann hat die AU Chancen. Realitäten: „Dass die Konflikte in Afrika ein Haupthindernis auf dem Weg der sozioökonomischen Entwicklung darstellen“, das hat die AU in ihre Gründungsakte geschrieben. Ziele: Eine Währung, eine Verteidigungspolitik, ein Wachstum von über 7 Prozent zu erreichen und über die nächsten 15 Jahre zu halten, die Kindersterblichkeit um zwei Drittel und die Sterberate von Müttern um drei Viertel zu verringern – das hat die AU sich vorgenommen.

Damit sind Afrikas Probleme benannt. Der Kontinent hat der Welt einen neuen Typus des Gemeinwesens beschert: den „failed state“, den zerfallenen, praktisch nicht mehr existenten Staat. Zu besichtigen ist er in Somalia, in Westafrika, in der Krisenregion um die großen Seen. Afrika leidet wie kein anderer Kontinent unter Aids. Schulen und Krankenhäuser sind oft solche Namen nicht wert. Armut und Unterentwicklung sind nicht, wie auf allen anderen Kontinenten, gelindert worden. Von fest verwurzelter Demokratie kann in keinem einzigen Land die Rede sein. Höchstens temporär funktionierende Experimente gibt es, die sich der Herrschaftsgelüste der jeweils dominanten ethnischen Gruppe erwehren müssen. Kenia ist das erfreulichste dieser Experimente. In der anderen Großmacht, Nigeria, hat Präsident Obasanjo viel von seinem Glanz verloren.

Ganz zu schweigen von den vielen anderen, nicht gewählten Herrschern. Es gibt keinen Grund, zu vermuten, afrikanische Regenten seien von Natur aus korrupter als ihre Kollegen andernorts. Nur legen ihnen ihre jeweiligen Gesellschaften weniger Zügel an. Raffgier, Nepotismus und Unterdrückung toben sich frei aus, wenn funktionierende Mittelschichten als Kontrolleur fehlen. Das Bild wird noch düsterer, wenn man Afrikas Gegenwart mit der anderer Regionen vergleicht: Als einzige Weltregion hat Afrika einen jahrzehntelangen Stillstand zu verkraften. Asiens neuer Wohlstand mag durch Wirtschaftskrisen erschüttert werden; Südamerikas neue Demokratien in Krisenzeiten labil erscheinen – dennoch ging es voran. Nichts davon in Afrika. Das einigermaßen friedliche Ende der Apartheid im Süden des Kontinents war vor zehn Jahren ein Fanal der Hoffnung. Heute steht Simbabwe ganz oben auf der Krisen-Liste; Namibia hat den erratischen Nujoma als Präsidenten, der dumm genug ist, ausgerechnet den Nachbarn Mugabe als Helden zu verehren. In Südafrika selbst ist unspektakulärer Alltag eingezogen. Weiße klagen über Rassen-Quoten und Gewalt, Schwarze über ihre Chefs, die meistens weiter weiß sind.

Nebenan, in Mosambik, vollzieht sich ein Mini-Boom. Maputos post-kolonialer, morbider Charme bietet nun also die Bühne für das ehrgeizige Unterfangen der AU. Nur sind hehre Ziele allein noch keine gute Politik. Afrika leidet seit Jahrzehnten an einem Umsetzungsproblem. An Idealen, Diskussionsforen und ehrgeizigen Papieren hat es nie gemangelt. An Spürbarem, das bei den Bürgern der AU ankommt, indes stets.

Bis 2015 Krankenhäuser und Schulen für alle, sattes und anhaltendes Wirtschaftswachstum – das sind hochfliegende Pläne. Man kann auch sagen: vermessene. Aber auch Wunder soll man ja nicht ausschließen.

Im für Europa wichtigsten Bereich, der Fähigkeit zur eigenständigen Konfliktlösung, ist außer Spesen bislang wenig gewesen. Noch spielt der Westen Feuerwehr, die USA zögerlich in Liberia, Frankreich in Elfenbeinküste und im Kongo. Südafrika hat lediglich einen Konflikt im Kleinstaat Lesotho schlichten können. An die üble Diktatur in Simbabwe traut sich kein Afrikaner heran.

Die AU als EU für Afrika ist ein schöner Traum. Ihn wahr werden zu lassen ist eine Herkules-Aufgabe. Zuallererst eine für Afrika selbst. Die Ziele sind benannt. Jetzt geht es an die Hausaufgaben.

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