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Afrika: Südsudan: Ein Ausnahmestaat

Südsudan wird unabhängig, aber Afrika darf das nicht zum Präzedenzfall machen. In der Tat dürfte es nach dem Referendum schwerer werden, das Unabhängigkeitsstreben anderer Teilregionen zu zügeln.

Im Süden des Sudan entsteht der erste neue Staat des 21. Jahrhunderts. Beschlossen wurde das von einer großen Mehrheit der knapp vier Millionen wahlberechtigten (ganz überwiegend christlichen) Südsudanesen. Kein Wunder, mehr als zwei Jahrzehnte Krieg liegen hinter der Region. Mehr als zwei Millionen Menschen sind ihm zum Opfer gefallen – durch Kämpfe, Krankheit, Folter oder Hunger.

Für Afrika könnte das Referendum Signalwirkung haben: Nach Eritrea, das sich 1993 von Äthiopien trennte, kommt es nun im Südsudan zur zweiten Abspaltung eines Landes seit Beginn der Entkolonialisierung in den frühen sechziger Jahren. Dies ist bemerkenswert, weil Afrikas Staatschefs die einst willkürlich gezogenen Grenzen frühzeitig für sakrosankt erklärt und jegliche Veränderung strikt abgelehnt hatten. Befürchtet wurde ein destabilisierender Dominoeffekt: Stelle man in Afrikas 53 Nationalstaaten mit ihren Hunderten von Völkern die Grenzen infrage, würde dies zu immer neuen Sezessionsforderungen führen und der ohnehin unruhige Kontinent in noch mehr Unordnung geraten.

In der Tat dürfte es nach dem Referendum schwerer werden, das Unabhängigkeitsstreben anderer Teilregionen zu zügeln. In der umkämpften westsudanesischen Provinz Darfur, die weiterhin zum Sudan gehört, könnten bald vermehrt Forderungen nach einer Loslösung aufkommen. Schon deshalb ist Sudans Präsident Omar al Bashir in seiner eigenen Partei längst nicht mehr unumstritten. Um seine Kritiker zu besänftigen, will Bashir nun den Norden des Sudans endgültig zu einem Staat zu machen, dessen Gesetze in ihrer Gesamtheit auf dem islamischen Recht (Scharia) fußen. Dies dürfte wiederum zu Konflikten mit den dort lebenden (christlichen) Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem Süden führen.

Das Sudan-Referendum könnte auch zum Präzedenzfall für Nigeria werden, wo im April gewählt wird: Wie der Sudan ist auch das bevölkerungsreichste Land Afrikas tief gespalten zwischen einem muslimisch-arabischen Norden und einem christlich-animistischen Süden. Nicht wenige prophezeien, dass Nigeria langfristig zerbrechen oder implodieren wird. Aber auch der Kongo dürfte ohne eine Abspaltung des unruhigen Ostteils nie zur Ruhe kommen, zumal seine rohstoffreichen Regionen keine Verbindung zur Hauptstadt Kinshasa haben. Selbst in der einst friedlichen Elfenbeinküste dürfte es fortan schwerer werden, das faktisch seit 2002 in einen Nord- und Südteil gespaltene Land noch einmal zusammenzuführen.

Abspaltungen könnten in der Theorie als kleineres Übel hingenommen werden, wenn als Alternative wie im Südsudan ein Bürgerkrieg droht. Hier ist die Sezession in der Tat völlig berechtigt. Dennoch: Was nützen immer neue und kleinere Staaten wie Cabinda (Teil Angolas) oder die Casamance (Teil von Senegal), wenn sie nicht zu einer funktionierenden Staatlichkeit finden? Die Menschen im Südsudan indes sehnen sich nur nach einem: dass sie nach den langen Jahrzehnten des Bürgerkriegs ihr Schicksal endlich selbst in die Hand nehmen können. In Frieden.

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