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Diese Truppe reinigte beim Aktionstag "Saubere Sache" die Gartenstadt in Neu-Tempelhof.

© Marius Gerads

Aktionstag "Saubere Sache": Alle für eine Stadt: Warum Engagement wichtig ist

Beim Thema "Aufräumen" drängen sich vielen Berlinern ungute Assoziationen auf: der Arbeitseinsatz beim DDR-Subotnik. Oder die schwäbische Kehrwoche. Doch wer Plätze pflegt, der pflegt auch das Zusammenleben der Stadtgesellschaft.

Es kommt auf die Berliner an. Auf all jene, die vielerorts halfen, die Stadt schöner und gepflegter zu machen. Sie haben Bäume gepflanzt, Bänke gestrichen, Beete angelegt oder Schulhöfe saniert. Ein Tag für meine Stadt – was Bürgersinn bewirken kann, war gestern zu sehen.

Gutes Beispiel kann ansteckend sein, soll ermutigen und ermuntern, selbst anzupacken. Der Aktionstag hat gezeigt, dass es Menschen gibt, viele, die in ihren Kiezen dafür sorgen, dass die Stadt lebenswerter wird und liebenswert bleibt. Sie meckern nicht bloß über ungepflegte Ecken, sie greifen ein, wenn Nazi-Parolen an Wänden das friedliche Zusammenleben vergiften, sie übernehmen Patenschaften für Orte, die ihnen Heimat sind, sie räumen auf, wo sich Müll sammelt.

Bildergalerie: Die Aktion "Saubere Sache" in Bildern

Geht’s noch spießiger? Da gibt es ungute Erinnerungen an den sozialen Druck der schwäbischen Kehrwoche oder den verordnet-freiwilligen Arbeitseinsatz beim DDR-Subotnik. Es ist Berlin eigen, dass Ordnung und Sauberkeit für viele kontaminierte deutsche Sekundärtugenden sind. Aber eine weltoffene Stadt definiert sich nicht dadurch, dass jeder seinen Müll irgendwo hinwerfen kann, sondern durch ein verantwortungsbewusstes Bürgertum. Da hat Berlin noch Nachholbedarf.

Auch der Tagesspiegel packte in einer eigenen Aktion mit an:

Sowohl, was die Überbleibsel einer West-Berliner Vollversorgungsmentalität angeht, die alles fordert und nichts gibt, als auch einer selbst zwei Jahrzehnte nach Mauerfall nur zögernd wachsenden Engagementskultur im Ostteil der Stadt. Dazu kommt die Sorge, ein bürgerschaftlicher Einsatz führe dazu, dass ein schmucker Kiez die Gentrifizierung und Verdrängung befeuert. Die gepflegte Stadt wird zum ideologischen Kampfbegriff.

Wo der Staat versagt, ist das Engagement der Bürger gefragt.

Aber zwischen biestiger Kiezwart-Mentalität und einem ignoranten Laisser-faire, der sich in Berlin als Toleranz tarnt, ist reichlich Raum für eine konfliktfreie nachbarschaftliche Koexistenz. Bürgersinn verbindet den Anspruch auf individuelle Freiheit, die Berlin bunt und spannend macht, mit den begrenzten Mitteln einer hochverschuldeten Stadt. Die Berliner sollen nicht der von ihnen bezahlten Stadtreinigung die Arbeit abnehmen oder Grünflächenämter aus der Pflicht entlassen, die Parks sauber zu halten. Doch es gibt genügend Dinge, wo es auf engagierte Menschen ankommt, weil der Staat nicht alles leisten kann. Das weiß man in den USA besser als in Deutschland; hier wurde lange die Illusion eines vor- und nachsorgenden Sozialstaats gepflegt. Bürger sind nicht Lückenbüßer, sondern sie tun etwas für ihre Stadt, weil sie etwas für sich selbst tun – um die Stadt zu bereichern. Nicht Obrigkeitserwartung, sondern Verantwortungsgefühl bringt eine Stadt voran und kann Konflikte entschärfen. Für Ordnung sind zuerst wir zuständig, nicht das Ordnungsamt. Das kann funktionieren: vom zurückgehenden Vandalismus im Park am Gleisdreieck bis zur selbstbewussten Verteidigung der Kieze gegen linksradikale Brandstifter oder hetzende Neonazis.

Bildergalerie: Müll, Dreck und Vandalismus in Berlin

Das ist die zentrale Frage: Was ist uns Berlinern der öffentliche Raum wert? Dessen Idee ist ja nicht nur, dass es – selbstverständlich – weder Müll noch Gewalt gibt, sondern einen Begegnungsort mit Aufenthaltsqualität.

Bildergalerie: Die Aktion "Saubere Sache" in Bildern

Den zu schaffen ist Aufgabe für alle, mit dem Wissen, dass zum friedlichen Zusammenleben ein positives Maß an sozialer Kontrolle gehört. Einiges spricht dafür, dass in Berlin dieses Bewusstsein wächst. Wer Plätze pflegt, der pflegt auch das Zusammenleben der Stadtgesellschaft. Das hat Zukunft.

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