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Meinung: Alles hat seine Grenzen

Ein Palästinenserstaat lässt sich auch durch die UN nicht erzwingen

Wenn in einer unhaltbaren Lage jede Veränderung über lange Zeit mutwillig blockiert wird, ist Bewegung ein Fortschritt – selbst wenn nicht auf Anhieb klar ist, wohin sie führt. In einer solchen Situation befindet sich der Nahe Osten.

Die Grundzüge des Vertrags, den Israelis und Palästinenser schließen müssen, sind seit langem ausgehandelt. Die Welt wartet auf den Moment, in dem beide Völker zeitgleich Anführer mit dem Mut haben, den Kompromiss zu besiegeln. Über Jahrzehnte mangelte es den Palästinensern an dieser Bereitschaft, noch 2000 hat ihr damalige Anführer Arafat den Friedensschluss abgelehnt. Heute ist es umgekehrt. Israels Premierminister Netanjahu verweigert ernsthafte Gespräche, wie man zum Ziel gelangt: zwei Staaten, die in Frieden miteinander leben, sich gegenseitig ihre Sicherheit garantieren und beide einen Teil von Jerusalem kontrollieren, den sie als ihre Hauptstadt bezeichnen können. Die Grenze zwischen ihnen orientiert sich an den Linien von 1967, wird aber durch einvernehmlichen Gebietstausch modifiziert. Die Palästinenser, die aus dem heutigen Israel stammen, werden nicht dorthin zurückkehren, weil das zur Majorisierung der Juden durch die Araber führen würde; sie werden dafür entschädigt.

Mit dem Antrag auf Anerkennung Palästinas durch die UN hat Präsident Abbas den von Netanjahu verordneten Stillstand aufgebrochen. An den emsigen Reaktionen ist abzulesen, welchen Druck das auf Israel und die USA ausübt. In seiner Antwortrede in den UN sagte Netanjahu, man könne mit den Verhandlungen sofort beginnen. Das Nahostquartett (USA, EU, Russland, UN) macht Vorschläge dafür.

Mit den arabischen Revolutionen hat sich die Lage dramatisch gewandelt. Israel droht die Isolation, und die USA laufen Gefahr, an Einfluss in der Region zu verlieren, falls sie Netanjahus Blockade unterstützen. Da ist die Dynamik, die Abbas ausgelöst hat, im Prinzip gut. Auf allen Beteiligten lastet nun aber die Verantwortung, sie in die richtige Richtung zu lenken und falschen Erwartungen entgegenzutreten, zum Beispiel der Hoffnung, die Anerkennung durch die UN sei eine Alternative zum Friedensschluss mit Israel. Das führt nur zu Enttäuschungen, und die schlagen sich im Nahen Osten bald in neuer Gewalt nieder. Würde die Bewegung, die Abbas auslöst, nur zu mehr Toten führen, wäre Stillstand vielleicht doch vorzuziehen.

Die UN können weder Frieden noch einen Palästinenserstaat erzwingen. Der einzige Weg dorthin ist der Kompromiss mit Israel. Abbas Antrag erzeugt Zeitdruck. Der Sicherheitsrat kann ihn viele Wochen ruhen lassen, aber nicht ewig. Die USA und ihre Partner müssen die Zeit nutzen, um rasch neue Friedensgespräche zu vermitteln. Für Netanjahu geht die Zeit der Blockademöglichkeiten zu Ende. Wenn Israel sich nicht bewegt, schwindet irgendwann auch Amerikas Geduld.

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