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Meinung: Alles, nur nicht Hanau

Die Plutoniumanlage ist eine Chiffre grüner Politik – und bleibt deshalb in Hessen

Siemens bleibt bei seinem Antrag, die Bundesregierung prüft weiter, die Chinesen wollen nicht weiter darüber reden. Und die Grünen freuen sich. Aus ihrer Sicht zu Recht. Denn die Summe dieser Informationen heißt: Formell bleiben alle Fragen offen, tatsächlich wird die Hanauer Plutoniumanlage nicht nach China exportiert.

Es wäre schön, wenn wir irgendwann einmal erfahren könnten, wer da wann mit wem gedealt, dies und jenes versprochen oder angedroht hat. Für Wahrheiten aus der Vogelperspektive, für den Blick auf das Dreieck Siemens, China, Deutschland, ist es viel zu früh. Aber erlaubt ist der Rückschluss, dass die Froschperspektive, nämlich der Blick auf das rot-grüne Binnenverhältnis, eigentlich reicht, um das Ergebnis zu erklären.

Hat da der Schwanz mit dem Hund gewakkelt? Schließlich wollte der Bundeskanzler höchstpersönlich diesen Handel mit China. Ob und wann er seinen grünen Außenminister eingeweiht hat, gehört zu den nicht restlos aufzuklärenden Kapiteln dieser Geschichte. Joschka Fischer, der als hessischer Umweltminister einmal wegen Hanau sein Amt quittiert hat, ist dem Bundeskanzler nicht offensiv in die Parade gefallen. Kurzfristig entstand sogar der Eindruck eines gewissen Einvernehmens. Doch es erwies sich schnell, dass der grüne Mythos Hanau in der grünen Regierungspartei wirksam ist – selbst wenn sein Schöpfer, der heutige Außenminister, nicht mehr daran glauben sollte. Es wurde nach Schröders schneidiger Ankündigung während seiner winterlichen Chinareise nicht besonders laut in der Koalition, aber es wurde sehr klar: Der Hanau-Verkauf nach China wäre zum Ernstfall geworden. Denn Schröder hätte in schwer erträglicher Weise zu Lasten der grünen Glaubwürdigkeit gehandelt.

Hanau ist die Chiffre für die Legitimität grüner Regierungsbeteiligungen. In den 80er Jahren, als die großen Kämpfe zwischen Fundamentalisten und Realos geschlagen wurden, führte Fischer als erster grüner Minister den Doppelbeweis. Er zeigte erst Rückgrat, trat wegen der Nuklearanlagen zurück – und setzte im zweiten Anlauf ihre Stilllegung durch. Der praktische Beweis war erbracht, dass Ministerämter grünen Zielen nützen können.

Der Marsch durch die Institutionen ist mit wachsendem Erfolg und Einfluss für die Grünen nicht leichter geworden. Die Regierungsbeteiligung im Bund hat ihre wichtigsten Grundlagen schweren Prüfungen unterzogen. Bei einer der wichtigsten hat die Realität die Grünen zur Revision ihrer ursprünglichen Werte gezwungen: Der Pazifismus hat sich vor der Wirklichkeit nicht behaupten können. Gerade, weil solche Einsichten bis heute schmerzen, durfte die Formel Hanau nicht über Bord gehen.

Das hat die grüne Führungsriege, die beiden Fraktionsvorsitzenden und Parteichef Reinhard Bütikofer, sehr entschieden durchgesetzt. Und zwar fast ausschließlich mit den Mitteln, die einer versierten Regierungspartei zur Verfügung stehen. Die Anträge zu Sonderparteitagen, der Aufschrei der Basis waren nur verhaltene Hintergrundmusik. SPD und die Grünen kennen sich inzwischen lange genug, um das außerparlamentarischen Repertoire nur andeuten zu müssen, damit der andere begreift: Hier wird es ernst. Ansonsten hieß und heißt es, formal korrekt in Richtung Siemens und China: Man prüft die rechtlichen Voraussetzungen. Der Kanzler kann dabei seinen Standpunkt – wenn es erlaubt ist, werden wir liefern – aufrechterhalten. Es sprach sich im Lande und bis Peking herum, dass diese Prüfung so lange dauern würde wie keine zuvor.

Im Fall Hanau haben die Grünen ihre Glaubwürdigkeit auf administrativem Weg verteidigt. Eine vorteilhafte Konkliftaustragung: Wer nicht so hoch auf die Bäume steigt, hat weniger Verluste beim Abstieg.

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