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Tagesspiegel-Kolumnist Helmut Schümann.

© Karikatur: Tagesspiegel

Altersweisheit: Schlechte Laune verlängert das Leben

Der Grantler ist übel beleumundet. Stets schlecht gelaunt, pessimistisch, grimmig. Unser Kolumnist Helmut Schümann wundert sich, dass die Wissenschaft herausgefunden hat, wie gut es der Grantler hat.

Das Bairische ist eigentlich keine Sprache, sondern vielfach ein Würgegeräusch, das in großen Teilen Deutschlands nicht verstanden wird. Dennoch hat man sich außerhalb des bairischen Sprachgebrauchs darauf verständigt, den Sinn vereinzelter Würgegeräusche zu kennen. Was miasanmia ist, weiß man auch, wenn man nicht zu den Liebhabern des FC Bayern gehört. Ein anderer, weit über weiß-blaue Grenzen hinweg bekannter Würger ist der Grantler. Der Grantler ist nicht gut beleumundet und zielt heute, unabhängig von seiner etymologischen Herkunft, auf jene Menschen ab, die stets grollen, grimmig blicken, grantig sind und die, wenn es sich um alte Grantler handelt, möglichst bald in die Gruft fahren sollen. Es sind die Misanthropen unter den Menschen, übel gelaunte Wesen, denen alles auf die Nerven geht, für die Freude ein Fremdwort ist, die zum Lachen in den Keller gehen, die Welt grau und trist erleben und die, wenn sie aus dem Keller wieder hochkommen, die im Hinterhof spielenden Kinder, „könnt ihr nicht endlich still sein, verfluchte Rasselbande!“, vertreiben. Alles ist mies, das Alter ohnehin, und die Zukunft ist es auch.

Man hat diesen ollen Meckerfritzen jahrhundertelang unrecht getan, wie das Institut für Psychogerontologie in einer Publikation des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung herausgefunden hat. Sie wollen nur länger leben.

Pessimismus nämlich trägt das große Werk. Die zornigen alten Männer, die grimmigen, grollenden, zänkischen Xanthippen, wollen einfach nur länger grollen, grimmen, zanken. Zehn Jahre haben die Forscher dieselbe Personengruppe nach ihren Erwartungen an die Zukunft befragt. Und siehe: Für diejenigen, die fröhlich und voller Tatendrang ins Leben schauen, erhöht sich das Risiko für körperliche Einschränkungen und Beschwerden sowie sogar das Risiko, vorzeitig zu sterben, um zehn Prozent.

Der wütende Furor von Marcel Reich-Ranicki, Giovanni Trapattoni und Heiner Geißler erscheint in einem völlig anderen Licht. Andererseits ist es natürlich tröstlich, dass solche Strahlemänner wie dieser Heino, trotz seiner eigenen kürzlich abgegebenen Beteuerung, immer noch hart wie Kruppstahl, zäh wie Leder und flink wir ein Wiesel zu sein, um zehn Prozent endlicher sind als alle Grantler dieser Welt. Augenscheinlich macht ewiges Strahlen mitunter auch um weit mehr als zehn Prozent dümmer. Es stellt sich allerdings bei den Grantlern, den Nörglern und Pessimisten, den ewigen Neinsagern, die länger leben, die Frage: wozu eigentlich?

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