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Meinung: Am Ende reicht’s

Schröders Schwächen sind Scholz’ Leiden

Pathos war das nicht. Geschickt hat sich der Kanzler bei seiner Rede auf dem SPD-Parteitag Gefühl geliehen, damit die Partei sich daran wärme. Mit großer Geste hat er 140 Jahre Parteigeschichte beschworen, die Werte der Sozialdemokratie. Gerhard Schröder hat viel von Stolz gesprochen. Willy Brandt, natürlich, und auch Erhard Eppler – das sind Personen, die für die Werte der Partei stehen. Und der Parteichef versteht es, nach 40 Jahren Mitgliedschaft, sich auf Gefühl und Sprache der SPD einzustellen. Wenn es schwierig wird, geht er weicher mit ihr um. Er hat eindringlich die Erfolge der Partei in der Regierung gelobt, das große Projekt Atomausstieg, für das man doch so lange gekämpft hat. Und das neue Selbstbewusstsein, das sein Nein zum Irak-Krieg markiert. Erfolge, die zusammenschweißen – aber allesamt Erfolge der Vergangenheit.

Einmal mehr ist deutlich geworden, dass Schröder nicht ist, nie wird, was sich die Parteiseele in Krisensituationen so sehnlich wünscht: Willy Brandt. Der Parteichef hat die Zukunft für die Sozialdemokratie reklamiert. Nur die SPD kann sie aus seiner Sicht gerecht gestalten, so dass die Gemeinschaft für den Einzelnen einsteht, aber auch der Einzelne für die Gemeinschaft. Die soziale Gerechtigkeit will er retten. Das müsse die SPD den Menschen besser erklären. Damit die nicht mehr in Scharen davonlaufen, sondern wieder Vertrauen in die Partei gewinnen. Das, hat er die 523 Delegierten bekniet, könnten Kanzler und Regierung nicht allein schaffen.

Ja, das fordert. Und das sitzt: die Angst vor dem Scheitern. Deshalb haben die Delegierten bei den Wahlen für Wolfgang Clement und Olaf Scholz zwar sehr deutlich Zeichen gesetzt, aber der Partei die ganz große Krise gerade noch erspart.

Die entscheidende Frage hatte Schröder nicht beantwortet. Wie will die Partei das Vertrauen – und so Mitglieder und Wähler – wiedergewinnen. Wie will er den Menschen zeigen, dass die SPD ihre Sorgen versteht. Reiner Pragmatismus, die Reformen durchzuziehen, das reicht in diesen Tagen vielleicht der gebeutelten SPD. Den Menschen draußen reicht das nicht. Sie leben in der Gegenwart. Sie haben Angst. Wie der von Gabriel ins Feld geführte Koch, der mit 800 Euro nach Hause geht. Menschen wie ihm hätte Gerhard Schröder vielleicht die Angst nehmen können, wenn er gesagt hätte, was auf keinen Fall zur Disposition steht. Sie interessiert herzlich wenig, ob die SPD um Begriffe streitet, ob sie Chancen gerecht verteilen will oder die Teilhabe gerecht nennt. Ihm hilft nicht, dass Schröder sagt, die SPD werde sich den Sozialstaat von niemandem kaputtmachen lassen. Will der Kanzler die Bürger wieder erreichen, muss er jetzt liefern, wie er es selbst genannt hat: praktische Erfolge. In der Gegenwart.

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