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Meinung: Am Riesenrad gedreht

Und das ist gut so: Nach vier Jahren wird der Fall Landowsky vor Gericht geklärt

W er weiß, vielleicht wäre Eberhard Diepgen noch heute Regierender Bürgermeister von Berlin und Klaus Landowsky der großherzige Geber an seiner Seite, der mal mit öffentlichen Lottomitteln seine Lieblingsgaleristen erfreut, mal mit Landesbanktochterbankenmitteln smarte Parteifreunde auf großer Immobilieneinkaufstour. Wenn, ja wenn damals nicht diese dumme Spende aufgetaucht wäre, bei der nicht gleich ganz klar war, ob sie nun dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Landowsky galt oder dem Bankenchef Landowsky.

Jedenfalls half Landowsky weder die eine Profession noch die andere, diese Spende gleich ordnungsgemäß zu verbuchen, und da das Geld außerdem von Leuten stammte, die sowohl für ihre Firma Aubis Geld von Landowskys Bank haben wollten als auch in derselben Partei wie Landowsky ihre Fäden zogen, bekam die Stadt erst eine Affäre präsentiert, dann einen milliardenriskanten Bankenskandal, eine schwarz-rot-koalitionierte Senatskrise, Neuwahlen und schließlich die PDS als Regierungspartei an der Seite der SPD. Den Bruch mit der CDU betrieb damals der SPD-Chef Peter Strieder, dem es grandios gelang, die CDU als hoffnungslos verfilzt, seine Partei aber als gewissensrein-empörte Unschuld von Kreuzberg darzustellen, nur, um sich alsbald die ökologisch-kostendynamische Zirkusluft des Tempodroms um die Nase wehen zu lassen – aber das ist eine andere Geschichte, auch wenn sie im selben Buch steht.

Jetzt, nach nahezu vier Jahren, sollen sich Landowsky und einige weitere Vorstände, Aufsichtsräte und Abteilungsleiter der Berlin Hyp, einer Tochter der Bankgesellschaft Berlin, wegen Untreue in besonders schwerem Fall vor Gericht verantworten; die Staatsanwaltschaft hat Anklage erhoben. Es geht dabei, man muss es so sagen, nur um den Aubis-Komplex, um unzureichend gesicherte Kredite in Höhe von etwa 235 Millionen Euro. Etwa 75 Millionen Euro zu viel, behauptet die Staatsanwaltschaft, die das in ihrer 750 Seiten dicken Anklageschrift meint belegen zu können. Die Bank habe bei der Kreditvergabe gegen Gesetze verstoßen und Risiken nicht beachtet. Die Firma der CDU-Mitglieder hatte damals Plattenbausiedlungen gekauft.

75 Millionen – das klingt, einerseits, nicht sehr viel angesichts der Milliardenrisiken, die sich unter dem Dach der Bankgesellschaft angesammelt hatten und für die das Land Berlin haftet. 75 Millionen – das klingt, andererseits, ziemlich wahnsinnig angesichts des Troubles, den ein normaler Mensch mit Einkommen, aber ohne Parteibuch und direkten Zugang zum Chef der Bank für einen Kleinkredit zum Aufbau einer friedlichen Hütte oder zur Absicherung des Weihnachtsfriedens auf sich nehmen muss.

75 Millionen – egal, ob viel oder wenig: Das Verfahren, so es denn vom Landgericht eröffnet wird, kann neue Erkenntnisse bringen über ein System, das sich in Berlin wie ein übergesetzliches Perpetuum mobile immer weiter zu drehen scheint, wie von allein, unaufhaltsam, auf allen Ebenen, in allen Parteien. Manchmal kommt es eben als Plattenbau daher, manchmal als Zirkuszelt und manchmal, wie schön, gleich als Riesenrad.

Ob der juristische Vorwurf, die Untreue, sich wird belegen lassen, ist zweifelhaft. Für die Öffentlichkeit ist ohnehin die Funktionsweise dieses Systems interessanter; denn selbst, wenn am Ende ein Freispruch steht oder eine Einstellung des Verfahrens, ist ja ganz offensichtlich einiges danebengegangen. Was war es: Selbstüberschätzung? Selbsterhaltung? Spielsucht? Freundschaftsdienst? Unprofessionalität? Vertrauensseligkeit? Gefälligkeit? Gefallsucht?

Wer weiß, vielleicht wäre Peter Strieder noch immer Stadtentwicklungssenator …

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