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Meinung: An die Arbeit, Mädchen

Ohne einen Boys’ Day geht auch der Girls’ Day über den Tag nicht hinaus

Heute ist Girls’ Day, das heißt: Mädchen zwischen zehn und 15 Jahren schauen sich technische oder naturwissenschaftliche Berufe in der Praxis an. Die Bundesregierung will Mädchen motivieren, nicht nur Arzthelferin, Friseurin und Kassiererin zu lernen, sondern auch den diskreten Charme von Berufen wie Mechatronikerin, Bauingenieurin und Physikerin zu erkennen. Jungs haben zum Girls’ Day keinen Zutritt.

Soll man Mädchen unter sich lassen, damit sie sich leichter an traditionell bei Jungs beliebte Ausbildungszweige heranwagen? Verkraften Mädchen den inneren Abschied von der Niedlichkeit an der Stechuhr automatisch einfacher, wenn kein Junge dabei zuguckt? Das ist so utopisch wie ein Recyclinghof, bei dem nur Frauen arbeiten. Mädchen müssen lernen, sich in einer Welt zurechtzufinden, in der sie die Mehrheit stellen und das bessere Abitur machen, die Minderheit aber noch immer mehr Geld verdient und die meisten Chefposten besetzt.

Mädchen brauchen eine große Portion Zähig- und Ernsthaftigkeit, wenn sie sich erst einmal dazu entschieden haben, Kfz-Mechanikerin zu werden. Denn am Ende haben sie zwar einen Blaumann gefunden, der ihnen passt, und sich eine Damentoilette erkämpft, aber keine Kraft mehr, um sich gegen die Sticheleien der Kollegen zur Wehr zu setzen. Diese Charakterfestigkeit zu vermitteln und Vorbilder zu präsentieren, dazu braucht es erwachsene Frauen, die sich in einen solchen Job gewagt haben. Vorbilder gibt es leider wenige, aber es gibt sie: zum Beispiel die Hamburgerin Sonja Dürr, amtierende deutsche Meisterin im Amateurboxen. Sie klagt gegen ihren Verband, weil der sie wegen einer Formalität nicht zur Europameisterschaft nach Norwegen fahren lassen will. Das ist mutig, denn Sonja Dürr kann sich natürlich nicht sicher sein, dass sie den Titel holt. Aber sie hat trainiert, sie möchte antreten. Das Risiko, in Männerberufen nur die Bronzemedaille zu gewinnen, verliert seinen Schrecken mit zunehmender Normalität. Die Angst der erwerbstätigen Frauen, immer einen Tick besser sein zu müssen als ihre männlichen Kollegen, erzeugt einen Druck, der sie schnell zu schmallippigen Giftspritzerinnen werden lässt. Das merken auch junge Mädchen – und stecken sich trotzig rosa Spängchen ins Haar, weil sie dann doch lieber süß und nett sein wollen, als so zu werden.

Obwohl der Name des Aktionstages den Spott von männlicher Seite herausfordert: Schaden anrichten kann der Girls’ Day nicht. Es geht ja darum, Möglichkeiten jenseits von typischen Mädchenjobs aufzuzeigen. Aber dieser einzelne Tag kann sicher nicht so weit in die Zukunft reichen, wie die Organisatoren hoffen. Mädchen in technischen Berufen wird immer noch von den Ausbildern ein schillernder Exotenbonus eingeräumt, Jungs und Mädchen haben nicht die gleichen Startvoraussetzungen im Kampf um die wenigen Jobs.

Die gibt es erst, wenn die Bundesregierung einen reinen Boys’ Day veranstaltet, bei dem Jungs in den Beruf des Geburtshelfers „reinschnuppern“. Und, wenn Mädchen weiterhin mit gutem Gewissen Bürokauffrau sein dürfen.

Esther Kogelboom

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