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Angela Merkel gibt den Kurs vor: Norbert Röttgen ist nicht der erste Mann, der sich ihrem strikten Richtungsdiktat beugen musste.

© dpa

CDU und SPD im Vorwahlkampf: Gabriel zetert, Merkel handelt

Nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen hat der Bundestagswahlkampf begonnen. Merkel demonstriert nach dem Wahldesaster eiskalt ihre Macht. Die SPD-Troika hingegen wirkt trotz Wahlsiegs in Düsseldorf ratlos. Vielleicht wünschen sich die Sozialdemokraten irgendwann, sie hätten in NRW nicht gewonnen.

Der Donnerhall der kleinen Bundestagswahl in Nordrhein-Westfalen ist längst noch nicht verklungen. Intensiv werden in der CDU und der SPD mittlerweile die Konsequenzen diskutiert. Am Wahlabend waren die Emotionen noch klar verteilt, die Sozialdemokraten jubelten, feierten ihre Wahlsiegerin Hannelore Kraft. Die Christdemokraten hingegen blickten entsetzt in einen politischen Abgrund.

Doch mittlerweile zeigt sich, die Wähler haben beiden großen Parteien fünfzehn Monate vor der Bundestagswahl 2013 vor eine ziemlich komplexe Aufgabe gestellt. Die Mitglieder von CDU und SPD sind gleichermaßen tief verunsichert. Die Funktionäre streiten um den richtigen politischen Kurs. Zwar kann bis zum Wahltag noch viel passieren, aber wer jetzt entscheidende strategische Fehler macht, gerät frühzeitig ins Hintertreffen. Der Vorwahlkampf hat begonnen und die Startbedingungen könnten für CDU und SPD nicht unterschiedlicher sein.

Für die SPD ist es gar nicht so einfach, den Rückenwind von Nordrhein-Westfalen im Bund zu nutzen. Die K-Frage lähmt die Genossen. Der Erfolg von Hannelore Kraft hat die innerparteilichen Machtverhältnisse verschoben, die Parteilinke wittert Morgenluft. Keiner der drei möglichen Kanzlerkandidaten Gabriel, Steinmeier oder Steinbrück strahlt unbedingten Siegeswillen aus und derzeit lässt sich kein Szenario vorstellen, bei dem die SPD mit der Nominierung eines Kanzlerkandidaten politisch in die Offensive kommt. Stattdessen zetert der Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel über die „Selbstblockade“ der Bundesregierung, fordert hilflos Neuwahlen und offenbart so die strategische Ratlosigkeit der Opposition.

Ganz anders die CDU, sie ist zwar in der Defensive. Die Zusammenarbeit mit CSU und FDP in der Bundesregierung funktioniert alles andere als reibungslos. Konservative Christdemokraten klagen lautstark über den vermeintlich sozialdemokratischen Kurs der Kanzlerin. Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen hat der Partei zudem vor Augen geführt, wie schnell sie in der Wählergunst abstürzen kann.

Der Wahltag in NRW:

Aber gleichzeitig hat die CDU-Vorsitzende Angela Merkel in der vergangenen Woche demonstriert, worin ihr entscheidender strategischer Vorteil gegenüber der SPD besteht. Als Bundeskanzlerin besitzt sie die Richtlinienkompetenz in der Regierung, als Bundeskanzlerin kann sie handeln. Und sie scheint zum Handeln bereit zu sein. Schnell hat Merkel erkannt, dass das Debakel der CDU in Nordrhein-Westfalen auch für sie ein Problem ist.

Der Röttgen-Rausschmiss mag also eine Verzweiflungstat gewesen sein. Aber er war zugleich eine Demonstration ihrer Macht, die beim Wähler Eindruck hinterlassen wird. Zwar klagen manche Christdemokraten nun über die menschliche Kälte, mit der Merkel ihren Minister abserviert hat. Aber das wird bald vergessen sein. Vor allem dann, wenn der Nachfolger Peter Altmaier neue Akzente bei der Umsetzung der Energiewende setzt.

Die alte Lagerlogik dominiert die politischen Debatten

Der CDU bleibt zudem gar nichts anderes übrig, als Merkel zu folgen, die eigenen Reihen hinter ihr zu schließen. Sie ist die beliebteste Politikerin der CDU und genießt weit über die engere Anhängerschaft der Partei bei den Wählern hohes Ansehen. Als eine Art deutsche Kanzlerpräsidentin scheint sie über dem schwarz-gelben Parteiengezänk zu stehen. Im Bundestagswahlkampf 2013 soll und muss Merkel die CDU ziehen. Wie wahlentscheidend ein populärer Spitzenkandidat sein kann, auch das hat die CDU bei der Landtagswahl in NRW leidvoll erfahren müssen.

Solange es also keine Wechselstimmung in Deutschland gibt – und danach sieht es trotz der schlechten Performance der Bundesregierung nicht aus –, solange ist Merkel für die Union der Machtgarant. Und wenn es nach der Wahl nicht noch einmal für Schwarz-Gelb reicht, dann ist Merkel zumindest der Garant dafür, dass die CDU zusammen mit der CSU die stärkste Partei im Parlament bleibt und die Union weiterhin die Kanzlerin stellt.

Die SPD hat derzeit kaum Möglichkeiten, diese strategische Ausgangslage der beiden großen Parteien im Vorwahlkampf grundlegend zu verändern. Da nützt ihr auch der Wahlsieg von Hannelore Kraft wenig. Anders als in NRW kann Rot-Grün im Bund derzeit nicht mit einer Mehrheit rechnen.

Aus bundespolitischer Sicht wäre es für die SPD sogar besser gewesen, SPD und Grüne hätten bei der Landtagswahl in NRW die absolute Mehrheit verfehlt. Dann würde die ganze Republik in diesen Tagen über ein Bündnis von SPD, Grünen und FDP spekulieren. Die nordrhein-westfälische FDP und ihr Spitzenkandidat Christian Lindner wären dazu bereit gewesen, sich auf dieses politische Abenteuer einzulassen. Die schwarz-gelbe Bundesregierung wäre massiv unter Druck geraten.

Doch stattdessen dominiert auch nach der NRW-Wahl nun die alte Lagerlogik die politischen Debatten. Rot-Grün fordert Schwarz-Gelb heraus. CDU, CSU und FDP sind im Streit wieder zusammengerückt. Alle Ampel-Spekulationen sind verstummt.

Und so gibt es für Merkel derzeit eigentlich nur zwei Dinge, die ihre Macht und ihre Wiederwahl gefährden könnten: der Euro und die Energiewende. Ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone mit möglicherweise gravierenden wirtschaftlichen Folgen nicht nur für Europa, sondern vor allem für Deutschland würden ihren Nimbus als erfolgreiche Krisenmanagerin beschädigen.

Die Absteiger und Hoffnungsträger der CDU:

Die Energiewende ist ein großes politisches und ökonomisches Experiment, mit ungewissem Ausgang, nicht absehbaren Folgen für den Industriestandort Deutschland und mit nicht abschätzbaren Kosten. Hier kann sich die Kanzlerin keinen Fehler leisten. Ein Scheitern würde direkt auf sie zurückfallen. Deshalb ist neben der europäischen Währungskrise nun auch die Energiewende bei Merkel Chefsache. Auch deshalb hat sie Norbert Röttgen als Umweltminister entlassen und einen ihrer engsten Vertrauten zum Nachfolger bestimmt.

Es mag sein, dass Macht einsam macht, aber immerhin kann Merkel handeln, ihre politischen Optionen nutzen, personelle Akzente setzen. Die SPD kann in der Opposition nur zuschauen.

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