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Geht der CDU 2012 die Puste aus? Angela Merkel bei einer Wahlkampfveranstaltung in Kiel.

© dpa

Die Union und die Krise: CDU 2012 - Wulff, Euro und die Gerechtigkeitsfalle

Nur scheinbar steht die CDU zu Beginn des Jahres 2012 unangefochten da, meint Christoph Seils. Denn auf die Partei lauern ein paar Gefahren, auf die sie kaum reagieren kann.

Am Wochenende verbreitete die CDU zufrieden altbekannte Parolen. Der Parteivorstand traf sich in Kiel zu einer Klausurtagung, verabschiedete einen Zehn-Punkte-Plan und tat so, als könnten der Union weder die Wulff-Affäre noch die Eurokrise oder das FDP-Desaster etwas anhaben. Wie in den guten alten Zeiten, als die CDU die deutsche Politik und vor allem die gesellschaftlichen Diskurse dominierte, feiern sich die Christdemokraten Deutschlands als „Wachstumslokomotive für den ganzen Kontinent“. Sie loben ihre Politik der „konsequenten Haushaltskonsolidierung“ und versprechen bessere „Bildungschancen“.

Gleichzeitig spricht die CDU von der Energiewende bereits so selbstverständlich, als habe es die 180-Grad-Wende in der Atompolitik und die damit verbundenen Glaubwürdigkeitsprobleme im vergangenen Jahr nie gegeben.

Wachstum, Innovation, Bildungschancen: Die CDU geht selbstbewusst ins neue Jahr. In der aktuellen Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen kommt die Partei wieder auf 36 Prozent, drei Punkte mehr als vor sechs Monaten, vor allem bei der politischen Stimmung hat die Partei deutlich zugelegt. Hier stehen die Christdemokraten so gut da wie zuletzt vor zwei Jahren.

Die Wulff-Affäre scheint die CDU nicht zu tangieren, das Siechtum der FDP sie nicht zu belasten. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist die beliebteste Politikerin des Landes, sie regiert im Stile einer Kanzlerpräsidentin und hält alle drei möglichen SPD-Kanzlerkandidaten auf Abstand. Vergessen scheinen alle Klagen über das fehlende konservative Profil, den beschädigten Markenkern oder die Sozialdemokratisierung der CDU. Selbst ins Sachen Euro-Rettung gilt die Kanzlerin mittlerweile als führungsstark.

So schnell ändern sich politische Stimmungen – oder ändert sich nur die Wahrnehmung? Denn tatsächlich hat sich die Situation der CDU kaum verändert. So wie die Krise der CDU im vergangenen Jahr überzeichnet wurde, so schlägt das Pendel nun in die andere Richtung aus. Die Probleme des Jahres 2011 sind für die Christdemokraten indes auch die Probleme des Jahres 2012. Und tritt Bundespräsident Christian Wulff zurück, kommt sogar noch eines hinzu. Denn spätestens, wenn ein Nachfolger gesucht wird, offenbart sich, wie schmal der Grat ist, auf dem die CDU derzeit wandelt.

(In unserer Bilderstrecke sehen sie mögliche Nachfolger für Wulff)

Einerseits ist die CDU zusammen mit der Schwesterpartei CSU noch immer die mit Abstand stärkste Partei in Deutschland. Weil die drei linken Parteien nicht zusammen kommen, spricht viel dafür, dass 2013 im Bund ohne die Union keine Regierung gebildet werden kann. Anderseits hören sich die 36 Prozent besser an als sie sind. Die wiedergewonnene Stärke verdankt die CDU vor allem der Schwäche der FDP. Von den Liberalen sind viele Wähler zur CDU zurückgekehrt, aber bei weitem nicht alle. Die Unzufriedenheit im bürgerlichen Lager ist weiterhin groß. Gemeinsam kommen CDU, CSU und FDP derzeit nur auf 40 Prozent, 8,4 Punkte weniger als bei der Bundestagswahl 2009.

Hinzu kommt, die FDP präsentiert sich derzeit personell und programmatisch in einem so dramatischen Zustand, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung insgesamt handlungsunfähig werden könnte. Die Partei ist führungslos, Kritiker des Eurokurses der Regierung haben starken Einfluss. Zudem hat sich die FDP in Sachen Finanztransaktionssteuer in eine Situation manövriert, in der sie nicht mehr kompromissfähig ist. Merkel hingegen steht bei Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy im Wort und wird sich international kaum von einer Zwei-Prozent-Partei vorführen lassen wollen. Ein Eklat in der Regierung scheint da programmiert.

Fakt ist, die Union kann sich nicht mehr auf den Mehrheitsbeschaffer FDP verlassen und muss sich für neue Bündnispartner öffnen. Das könnte in der Regierungskoalition für zusätzliche Unruhe sorgen. Gäbe es am kommenden Sonntag eine Bundestagswahl, wäre die schwarz-gelbe Mehrheit futsch. Müsste in den kommenden Monaten die Bundesversammlung zusammentreten, um einen neuen Bundespräsidenten zu wählen, wäre die christlich-liberale Koalition angesichts von nur vier Stimmen Mehrheit schon jetzt faktisch auf die Stimmen der Opposition angewiesen. Die strukturelle Schwäche des bürgerlichen Lagers würde auch für die Wähler unübersehbar werden.

Noch ist Christian Wulff im Amt und natürlich ist eine seriöse Prognose über die Bundestagswahl in 20 Monaten nicht möglich. Zu viel kann bis dahin passieren, zu lose sind mittlerweile die Wählerbindungen. Die Oppositionsparteien SPD, Grüne und Linke sind zudem noch überhaupt nicht auf Wahlkampf eingestellt, kämpfen stattdessen mit hausgemachten Problemen.

Die politische Stimmung im Lande kann sich in diesem Jahr also schnell wieder gegen Merkel und die CDU wenden, allen voran bei der Eurorettung. Niemand weiß, ob eine Pleite Griechenlands noch abgewendet werden kann oder ob in Athen schon in den nächsten Wochen die Lichter ausgehen. Nur eines scheint klar, die Eurorettung gestaltet sich schwieriger als gedacht und wird für Deutschland teurer als geplant.

Sollte der Euro tatsächlich auseinanderbrechen, sind die politischen und ökonomischen Folgen unkalkulierbar. Doch selbst wenn Griechenland noch gerettet werden kann, weiß der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble noch nicht, welche Rechnung ihm präsentiert wird; denn bislang hat Deutschland vor allem für die klammen Euroländer gebürgt. Im Sommer allerdings werden die ersten Zahlungen fällig, wie viele Milliarden Euro Schäuble dann an den Rettungsfonds ESM überweisen muss, ist noch offen. Voraussichtlich wird Deutschland im Sommer 22 Milliarden Euro zahlen müssen – und damit wesentlich mehr als bislang geplant. An einem Nachtragshaushalt dürfte die Bundesregierung kaum noch vorbei kommen, die Haushaltskonsolidierung könnte einen Rückschlag erleiden.

Im Sommer wissen die Deutschen auch, ob es mit der Wirtschaft in Deutschland weiter bergauf geht oder ob dem Land eine Rezession droht. Nach dem Boomjahr 2011 sind die Prognosen der Experten für 2012 düster, auch ohne Griechenlandpleite. In viele Ländern der Welt droht ein Konjunktureinbruch, für die Exportnation Deutschland ist dies fatal. Und für die Wähler zählen gerade in Sachen Wirtschaft nicht die Meriten der Vergangenheit, sondern die Zukunftsaussichten.

Die Opposition wird zudem versuchen, die CDU im Vorfeld des Bundestagswahlkampfes 2013 in die Gerechtigkeitsfalle zu locken. SPD, Grüne und Linke werden versuchen, vor allem mit dem Thema soziale Ungleichheit – der ungleichen Verteilung von Reichtum sowie den schlechten Aufstiegschancen – zu punkten. Doch einen populistischen Wettlauf um die schönsten Wahlversprechen in Sachen Umverteilung kann eine CDU, die bei konservativen Wählern schon jetzt unter Sozialdemokratisierungsverdacht steht, nur verlieren.

Die CDU steht also weiter unter Druck, trotz der zuletzt besseren Schlagzeilen. Die blumigen Worte, die die CDU am Wochenende in Sachen Wachstum, Innovation, Bildungschancen verloren hat, können davon nur ablenken. Nur scheinbar steht die CDU zu Beginn des Jahres 2012 unangefochten da. Vielmehr lauern auf die Partei im Vorfeld des Bundestagswahlkampfes ein paar Gefahren, auf die sie derzeit kaum reagieren kann.

Christoph Seils leitet die Online-Redaktion des Magazins Cicero. Er ist Autor des Buches „Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien?“, erschienen im WJS-Verlag. Er schreibt an dieser Stelle wöchentlich über die deutsche Parteienlandschaft.

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