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Der künftige Präsident Muhammadu Buhari (rechts) nimmt die Wahlergebnisse vom Chef der unabhängigen Wahlkommission Attahiru Jega (links) entgegen. In der Mitte steht der künftige Vizepräsident Yemi Osinbajo und im Hintergrund Buharis Ehefrau Aischa.

© dpa

Die Wahl in Nigeria: Was Stimmzettel Wert sein können

Der friedliche Machtwechsel an der Wahlurne in Nigeria hat die Welt erstaunt. Ein Überblick über die nigerianischen, die internationalen und deutschen Kommentare zur Präsidentenwahl in Nigeria.

"Das Volk ist der Arbeitgeber der Mächtigen"

Die nigerianische Internetzeitung "Premium Times" kommentiert den Wahlausgang so: "Die Präsidentenwahl in Nigeria war eine der am bittersten ausgefochtenen in der Geschichte der Wahlen in Nigeria. Am Ende erwies sich die Wahl als Volksabstimmung über die wichtigsten nationalen Fragen: die Wirtschaft und die Sicherheit. Nigerias gewählter Präsident General Muhammadu Buhari weiß, was er zu tun hat. Er muss schnell eine Regierung bilden. Und diese Regierung muss schnell sehr hart daran arbeiten, die tiefgehenden Gräben im Land zu schließen und gleichzeitig die ökonomische Krise und die Sicherheitsprobleme anzugehen. Schlechte Regierungsführung kann künftig mit dem Stimmzettel sanktioniert werden. Diese einfache zivile Botschaft über die Macht der Wähler könnte ein Wendepunkt bei der Stärkung unserer Demokratie sein. Wir, das Volk, sind die Arbeitgeber derjenigen, denen wir die Macht anvertraut haben. Und wir können sie ihnen wieder abnehmen, wenn sie dabei versagen, in unserem Namen und zu unserem Fortschritt zu handeln. Das war die wichtigste Leere aus dieser Wahl." Tsp

"Die Geschichte wird ihm gnädig sein"

Die nigerinaische Tageszeitung "The Guardian" kommentiert die Wahl so: "Wahlen erlauben demokratischen Ländern die Wiedergeburt von Werten wie der Volksvertretung und dem Interesse des Volkes zu feiern. Die Nigerianer haben das mit der Wahl 2015 getan. Noch wichtiger: Der Machtverlust eines amtierenden Präsidenten, Goodluck Ebele Jonathan, an den Oppositionskandidaten, General Muhammadu Buhari, beweist, dass die nigerianische Demokratie erwachsen geworden ist. Wenn man Buhari gratuliert, muss man gleichzeitig Jonathan dafür danken, dass er sein Versprechen gehalten hat, glaubwürdige Wahlen abzuhalten. Das wird ihm ewig gedankt werden. Die Geschichte wird im für immer gnädig sein." Tsp

"Am Ende hat er sich gefunden"

Die südnigerianische Tageszeitung "This Day" kommentiert den Abgang des abgewählten Präsidenten Goodluck Jonathan so: "Vielleicht ist es dieser letzte Akt von selbstloser Unterordnung unter den Willen des Volkes, mit dem Jonathan er für immer in die Geschichte Nigerias eingeht. Dieses Ende kann dann auch den trüben Pfade dieses bescheidenen Mannes aus Otuoke rechtfertigen, der sein Leben ohne Schuhe begonnen hat aber zu großer Macht aufgestiegen ist und nun auch zur Ehre eines großen Nigerianers angewachsen ist. Die Botschaft ist machtvoll und einfach: Mit dem Verlust der Macht hat Goodluck Ebele Jonathan schließlich zu sich selbst gefunden." Tsp

"Ich bin Stolz, Nigerianer zu sein!"

Die Internetzeitung "The Trent" kommentiert den Wahlausgang so: "Viele Jahre lang war Nigeria ein Ein-Parteienstaat. Das war sicherlich nicht gut für uns als Nation. Aber was noch schlimmer war, war die Tatsache, dass unsere Wählerstimmen nicht immer eine Bedeutung hatten. Aber das hat sich geändert, oder ändert sich gerade. Ich bin stolz, ein Nigerianer zu sein. Gott segne die Föderale Republik Nigeria." Tsp

"Gegen den Dschihad ist Buhari besser gerüstet"

Die "Neue Zürcher Zeitung" meint zur Wahl in Nigeria: "Was für eine Ironie der Geschichte: Der Tyrann kehrt zurück an die Macht, und man spricht von einem Sieg der Demokratie. Aber vielleicht ist Buhari ja geläutert. Er selbst spricht von sich als einem 'born-again democrat', so wie man von wiedergeborenen Christen spricht. Für den Kampf gegen Boko Haram ist er besser gerüstet als Jonathan. Nicht nur wegen seines militärischen Hintergrunds, sondern vor allem, weil er selber Muslim ist und die Mehrheit des Nordens hinter sich weiss. Es wird in Zukunft schwieriger sein, den Jihad als Kampf des islamischen Nordens gegen den christlichen Süden zu inszenieren." AFP

"Nigeria hat gewonnen"

Die Pariser Zeitung "Le Monde" lobt den Ablauf der Wahl in Nigeria: "Zum einen hat (der scheidende Präsident) Goodluck Jonathan seinen Beitrag geleistet, indem er die nationale Wahlkommission gestärkt hat. Diese hat sichergestellt, dass die Wahlprozess zu Ende geführt werden konnte. Der Präsident hat verloren - doch Nigeria hat gewonnen. Das Ergebnis ist nicht nur, dass ein Blutbad verhindert wurde. Der Wechsel an der Staatsspitze zeugt auch vom Willen der Nigerianer, endlich einen gewählten Präsidenten zu haben, der Rechenschaft ablegt. Sie haben die Misswirtschaft abgestraft, die Arbeitslosigkeit, die sozialen Ungerechtigkeiten und die Unfähigkeit, die
islamistische Terrorgruppe Boko Haram wirksam zu bekämpfen. Und den verrückten Reichtum einer korrupten Elite, die außerhalb des Landes lebt und in Privatjets reist." AFP

"Ein schönes Zeichen politischer Reife"

Die katholische französische Zeitung "La Croix" schreibt zur Präsidentschaftswahl in Nigeria: "Das nigerianische Volk hat ein sehr schönes Zeichen der politischen Reife gezeigt - vor allem mit seinem Willen, der islamistischen Extremistengruppe Boko Haram die Stirn zu bieten. In diesem Land, das so oft als Schauplatz der Konfrontation zwischen Muslimen und Christen verschrieen wird, hat die gewaltlose Logik der Urnen gesiegt. Das Schwierigste steht freilich noch bevor: Die Korruption bekämpfen, die Verwaltung des Landes und vor allem seine Armee funktionsfähig machen. Dennoch - diese Wahl ist ein ermutigendes Beispiel für den gesamten afrikanischen Kontinent." AFP

"Buhari soll nun aufräumen"

Zum Wahlsieg von Muhammadu Buhari in Nigeria heißt es in der Wiener Zeitung „Der Standard“:  „Wie einst (der bisherige Präsident Goodluck) Jonathan gilt Buhari als Figur, die außerhalb des korrupten Systems steht. Er soll nun aufräumen. Wie bei Jonathan ist dieser Eindruck falsch. Hinter beiden stehen mächtige Interessengruppen. Zudem muss der Exdiktator beweisen, dass sein Wandel zum Demokraten auch dann hält, wenn er komplizierte Probleme lösen muss. Damit der aktuelle militärische Siegeszug gegen Boko Haram auch gesellschaftlich gelingt, wird der muslimische Präsident einen Ausgleich schaffen müssen: mehr wirtschaftliche Möglichkeiten für den Norden, ohne den christlichen Süden zu vergrätzen. Die religiös-ethnische Spaltung hat die Wahl nicht überwunden.“ dpa

"Der Generalmajor hält viel von Disziplin"

Zum Wahlsieg von Muhammadu Buhari in Nigeria heißt es in der niederländischen Zeitung „De Telegraaf“: „Der Generalmajor, der einst durch einen Staatsstreich an die Macht gelangt war, hält durchaus viel von Disziplin. In seinem damaligen „Krieg gegen das Chaos“ befahl er, dass Menschen an Haltestellen in Reih und Glied auf den Bus zu warten hätten. Wer sich vordrängelte, musste mit Peitschenhieben von Soldaten rechnen. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass der 72-jährige Muslim in Sachen Menschenrechte und Pressefreiheit keine hohe Punktzahl erreichte. (...) Buhari gibt auch zu, dass er es lange nicht so genau genommen hat mit der Demokratie. Er beschrieb sich als „wiedergeborener Demokrat“. Doch das alles störte die nigerianischen Wähler diesmal nicht. Nach drei Niederlagen hat er jetzt Erfolg gehabt. Das hat viel mit seiner Reputation als militärischer Hardliner und seinem für nigerianische Verhältnisse bemerkenswert guten Ruf als Kämpfer gegen die Korruption zu tun.“ dpa

"Eine Art Zwischenpapst"

Zum Wahlsieg von Muhammadu Buhari in Nigeria heißt es in der niederländischen Zeitung „de Volkskrant“: „Buhari könnte einen Platz in der Geschichte erobern, wenn es ihm gelingt, die in Nigeria übliche Besessenheit von der jeweiligen regionalen Herkunft und dem politischen Hintergrund eines Präsidenten zu durchbrechen. Wenn er es schafft, sich frei zu machen von den endlos wiederholten Worthülsen der nigerianischen Politik und zu wirtschaftlichen Taten übergeht. Das könnte Buhari als einer Art Zwischenpapst eine Heiligsprechung sichern. Dass dieser „Papst“ ein Muslim ist, kann den Nigerianern egal sein. Ungeachtet der (islamistischen Terrormiliz) Boko Haram spielt Religion für die Bevölkerung eine weniger wichtige Rolle als die ethnische Herkunft. Ein Präsident, der sich dessen bewusst ist und jedem Nigerianer eine Chance bietet, ist ein Held. Um eine Wiederwahl in vier Jahren muss er sich keine Gedanken machen. Seine Parteienkoalition APC hat bereits jemanden, der dann antreten kann - es ist Babatunde Fashola, der zurecht populäre Gouverneur von Lagos.“ dpa

"Buhari hat mit gewaltigen Problemen zu kämpfen"

Der linksliberale britische „Independent“ kommentiert den Wahlausgang in Nigeria mit dem Sieg von Muhammadu Buhari: „Bis zur formellen Regierungsübergabe am 29. Mai kann noch viel passieren. Der neu gewählte Muhammadu Buhari hat mit gewaltigen Problemen zu kämpfen. Die Wirtschaft wird durch den gesunkenen Ölpreis stark geschwächt, da Erdöl Nigerias wichtigstes Exportprodukt ist. Doch diese geordnete Wahl hat ein wichtiges Zeichen gesetzt. Nigeria ist das bevölkerungsreichste Land Afrikas, und seine Geschichte gezeichnet von Militärdiktaturen und Wahlfälschungen. Jetzt hat das Land bewiesen, dass politische Führer durch Wahlen abgewählt werden können. Hoffentlich werden sich andere afrikanische Länder ein Beispiel daran nehmen.“ dpa

"Womöglich hatte diesmal das Volk das letzte Wort"

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schreibt zu Nigeria: "Womöglich hatte diesmal das Volk das letzte Wort, weil die Wahl nicht in großem Stil gefälscht wurde. Sicher aber lag es auch an der Enttäuschung der Nigerianer über ihren bisherigen Präsidenten und seine seit 16 Jahren regierende Partei. Unter Jonathan hat sich die wirtschaftliche Situation der Bevölkerungsmehrheit nicht verbessert. Boko Haram terrorisiert einen Teil des Landes wie nie zuvor, die Korruption grassiert. Buharis Versprechen, Filz und Verschwendung zu beseitigen, sowie sein bescheidener Lebensstil mögen im Volk gut ankommen. Auch mögen die Nigerianer einem früheren General das Versprechen eher abnehmen, dass er die Armee reformieren und den islamistischen Terror besiegen kann." dpa

"Sie können auch anders"

Die "Süddeutsche Zeitung" schreibt zur Wahl: "Nigeria hat die Korruption abgewählt. Das ist die Hauptbotschaft, die aus Afrikas bevölkerungsreichstem Staat kommt: Zum ersten Mal in der Geschichte dieses krisenreichen, von vielen Bruchlinien durchzogenen Landes löst ein Herausforderer auf demokratischem Weg einen amtierenden Präsidenten ab. Und der erkennt seine Niederlage an und fordert seine Anhänger auf, von Gewalt abzusehen. Das ist ein spektakulärer Moment in der jüngeren Geschichte Afrikas." Tsp

"Hoffen auf das Wunder"

Die "Tageszeitung" schreibt über den Machtwechsel: "Der 72-jährige Wahlsieger Muhammadu Buhari vertritt nicht das neue Nigeria, globalisiert, kreativ und dynamisch. Er ist der letzte Vertreter des Alten. Er hat eine Bringschuld gegenüber der jungen Generation, die sich mit Unfähigkeit im Amt nicht mehr abfinden mag. Der Machtwechsel in Nigeria, so er denn gelingt, ist nicht das Ende des demokratischen Aufbruchs, sondern sein Anfang. Es stehen spannende Zeiten bevor." Tsp

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