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Auch weiterhin im Rennen. Angela Merkel.

© dapd

Gastkommentar: Die Kanzlerin, ihr Wahlverein und die Wahl 2013

Angela Merkel will 2013 wieder für die Union in den Wahlkampf ziehen. Diese Ankündig ist banal. Interessanter ist deshalb eine andere Frage: Bleibt Angela Merkel Kanzlerin?

Es gibt Meldungen aus der Welt der Politik, die sind eigentlich banal. Und trotzdem bestimmen sie die Schlagzeilen. Über Angela Merkel zum Beispiel wurde am vergangenen Wochenende vermeldet, sie wolle sich bei der Bundestagswahl 2013 der Wiederwahl stellen. Welch eine Überraschung. Eigentlich ist dies eher eine Nachricht aus der Kategorie, Hund beißt Mann.

Angela Merkel will also Kanzlerin bleiben, sie will in zwei Jahren wieder in den Wahlkampf ziehen. Was soll die Gute denn auch anderes sagen, wenn sie von Journalisten befragt wird. Etwa, dass sie amtsmüde sei und keine Lust mehr habe auf den ständigen Steuerstreit mit der FDP. Öffentlich zur Schau gestellte Schwäche kann sich kein Kanzler und keine Kanzlerin leisten. Dann könnte sie den Bettel auch gleich hinwerfen.

Interessanter ist da schon eine andere die Frage: Bleibt Angela Merkel Kanzlerin? Wie stehen erstens ihre Chancen, 2013 wiedergewählt zu werden und muss sie zweitens fürchten, bereits zuvor von ihren eigenen Parteifreunden aus dem Amt gejagt zu werden?

Vorerst scheint die Gefahr eines Putsches in der Union gebannt. Seit dem unrühmlichen Abgang von Karl-Theodor zu Guttenberg findet sich in den eigenen Reihen weit und breit keine personelle Alternative, niemand der der Kanzlerin gefährlich werden könnte. Die konservativen Kritiker der Kanzlerin, von denen es viele gibt, sind führungs- und orientierungslos. Alle potenziellen Nachfolger wie Ursula von der Leyen, Norbert Röttgen oder Thomas de Maizière gelten nicht gerade als Hoffnungsträger des konservativen Parteiflügels.

Es gibt auch keinen starken Landesfürsten, der Merkel herausfordern könnte, den christdemokratischen Ministerpräsidenten fehlt es an Profil. Doch es sage niemand, die Union wisse gar nicht, wie man einen Kanzler stürzt. Anders als in der SPD werden die Christdemokraten jedoch erst dann richtig unruhig, wenn sie um die Macht fürchten müssen. Nicht zufällig ist die CDU vor allem ein Kanzlerwahlverein, bei dem Programmfragen nun eine nachgeordnete Rolle spielen.

In der Programmpartei SPD ist es andersherum. Die Sozialdemokraten hadern schon fast chronisch an der Politik ihrer Kanzler. Die Genossen machten sowohl Willy Brandt als auch Helmut Schmidt und Gerhard Schröder das Leben im Kanzleramt äußerst schwer. Aber vor dem Äußersten schreckten sie immer zurück. Willy Brand kam einem möglichen Sturz zuvor, in dem er in der Guillaume-Äffäre zurücktrat. Gerhard Schröder suchte sein Heil in der Flucht nach vorne und in vorgezogenen Neuwahlen, als er 2005 nicht mehr sicher sein konnte, dass ihm seine Partei in der Agenda-2010-Politik folgt.

Und so hat die Union in ihrer Geschichte tatsächlich schon mehr Kanzler gestürzt als die SPD, nämlich zwei: Konrad Adenauer und Ludwig Erhard. Beide wurden von den eigenen Leuten aus dem Amt gedrängt, als diese keine Hoffnung mehr hatten, mit ihnen eine noch Wahl zu gewinnen bzw. nicht länger auf deren freiwilligen Rückzug warten wollten. Nur Helmut Kohl regierte bis zum bitteren Ende, weil die Union 1998 nach 16 Regierungsjahren insgesamt ausgelaugt und regierungsmüde geworden war.

Welche Aussichten Angela Merkel hat und warum die Wahlkampfthemen diesmal so schwer planbar sind, lesen Sie auf der nächsten Seite.

Womit die interessantere Frage wohl folgende ist: welche Aussichten hat die Union, 2013 die Bundestagswahl zu gewinnen und welche Aussichten hat Angela Merkel, auf eine weitere Amtszeit. Schlecht sind diese weiterhin nicht und das hat weniger mit der Erwartung zu tun, die FDP könne sich noch einmal nachhaltig erholen.

Vielmehr haben sich Angela Merkel und ihre Partei in den vergangenen Wochen machtpolitisch eine Menge Handlungsspielraum erarbeitet. Fällt die FDP mangels Masse als Mehrheitsbeschaffer aus, können sie auch auf SPD und Grüne zugehen. In der Energiepolitik hat die Union mit der Atomwende Brücken zu den Grünen gebaut. In der Finanzpolitik steht die Union der SPD wesentlich näher als dem liberalen Koalitionspartner mit seinem zum Running Gag verkommenen Steuersenkungsversprechen.

Optionen sind in einem Fünf-Parteisystem ein entscheidendes Kapital und da besitzt die CDU mittlerweile mehr als die politische Konkurrenz. Auf der anderen Seite muss Rot-Grün die aktuelle Umfragemehrheit erst einmal in einen Wahlerfolg umwandeln. In einem Fünf-Parteiensystem mit drei Parteien links der Mitte ist dies ein fast unmögliches Unterfangen. SPD und Grüne sollten sich nicht darauf verlassen, dass die Linke sich bis dahin selbst erlegt und erledigt hat.

Es mag sein, dass viele Wähler von Schwarz-Gelb mittlerweile nachhaltig enttäuscht sind, aber eine große Lust auf Rot-Grün ist bei ihnen derzeit auch nicht zu spüren. Es ist viel in Bewegung in der Politik, viele Wähler sind auf der Suche, haben mehrere Parteienpräferenzen. Bis 2013 kann da noch eine Menge passieren. Die vielen Wechselwähler wissen noch lange nicht, wo sie in zwei Jahren ihr Kreuz machen.

Völlig offen und kaum planbar ist auch, welche Themen, Probleme oder Katastrophen den Wahlkampf dann bestimmen werden. Der Atomausstieg jedenfalls ist dann längst abgehakt, die Eurokrise hingegen könnte bis dahin richtig virulent werden. Doch es gibt auch darüber hinaus noch genügend politische Baustellen, die bewältigt werden müssen. Gesundheit und Rente, Afghanistan und Libyen, Bundeswehrreform und Energiewende. Auch wenn die Liberalen weiter chronisch schwächeln, gibt es für Kanzlerin noch genügend Möglichkeiten sich zu profilieren. Zudem hat sie mit der Wende in der Atompolitik trotz Glaubwürdigkeitsdefiziten zwei Eigenschaften bewiesen, die beim Wähler hoch im Kurs stehen: Mut und Führungsstärke. Noch hält Angela Merkel politisch das Heft des Handelns in ihren Händen.

Nur auf eines sollte sich die Kanzlerin nicht verlassen; dass die Wähler angesichts von Aufschwung und niedriger Arbeitslosigkeit keine Lust auf Experimente oder einen Wechsel haben. Schon in Baden-Württemberg war dies anders, denn die Wähler laden zwar ihre Unzufriedenheit bei der Regierung ab. Wenn es ihnen hingegen gut geht, halten sie es eher für eine persönliche Leistung, die mit der Politik wenig zu tun hat. Die Menschen wählen Zukunft und nicht Vergangenheit.

Das gilt auch für Christdemokraten. Deshalb gilt gleichermaßen: solange sich im Kanzlerwahlverein CDU mit Angela Merkel mehr Chancen verbinden als Risiken, mehr Hoffnungen als Enttäuschungen, mehr Optionen als machtpolitische Sackgassen bleibt sie als Kanzlerin unangefochten. Solange muss sie keine innerparteilichen Intrigen und keine innerparteilichen Konkurrenten fürchten.

Christoph Seils ist Leiter der Online-Ausgabe des Cicero. In diesem Jahr erschien sein Buch „Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien?“ im WJS-Verlag. Seils wird an dieser Stelle wöchentlich über die deutsche und vor allem die Berliner Parteienlandschaft schreiben.

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