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Gastkommentar: Ein Zwischenruf zur Burka

Verhüllungen muslimischer Frauen sind für die meisten Nicht-Muslime immer nur Ausdruck und Symbol männlicher Unterdrückung. Es kommt uns nicht in den Sinn, dass sie für Muslime in der säkularen Welt auch für anderes stehen können.

Ich falle gleich mit einer Provokation ins christlich-säkulare Wohnzimmer: Frauen, die sich in europäischen Ländern mit einer Burka vermummen, unternehmen einen Anpassungsversuch an die Menschen- und Freiheitsrechte der westlichen Welt; abschaffen wollen sie sie keineswegs. Warum ich da so sicher bin? Weil sie wissen, dass sie und ihre Familien ohne diese über Jahrhunderte erkämpften politischen Errungenschaften keinerlei Existenzrechte in westlichen Gesellschaften hätten. Mehr als ein Drittel der Burkaträgerinnen ist zum Islam konvertiert. Gerade sie kennen die von blutigen Religionskriegen gekennzeichnete Geschichte unseres Kontinents. Und die Eingewanderten haben Unterdrückung und Ausgrenzung in ihren Herkunftsländern oft selbst erlebt, einige als Täter, andere als Opfer. Sie alle wollen zu den hoch geschätzten westlichen Freiheiten eine weitere dazugewinnen, nämlich ihre individuelle islamische Glaubensausübung – so bizarr sie auch sein möge – auf dem Kontinent der Freiheit praktizieren zu dürfen.

Auf diesen Salto sind wir schlecht vorbereitet. Wer kann sich schon vorstellen, dass Menschen, die dafür gekämpft haben, in religiösen Fragen von jeder staatlichen Bevormundung frei zu sein, zum Beispiel selbst entscheiden zu können, wann und wie sie beten, wie sie sich kleiden, sich dann in der gewonnenen Freiheit wieder den alten Regeln unterwerfen, nun mit Hinweis auf verbürgte Menschenrechte? Das tut weh, irritiert, löst Hassattacken, aber auch Schutzgesten aus. Und so wird derzeit in den Feuilletons mit der Keule, aber auch mit dem Florett im Namen der Freiheit gestritten für und gegen ein Burkaverbot.

Eine packende Diskussion, nur drehen wir uns im Kreis wie schon bei der Kopftuchdebatte: Verhüllungen muslimischer Frauen sind für die meisten Nicht-Muslime immer und überall nur das eine, Ausdruck und Symbol männlicher Unterdrückung. Es kommt uns nicht in den Sinn, dass sie für Muslime in der säkularen Welt auch für anderes stehen können. Als Zeichen und Orientierung für einen eigenen Platz in der Welt der Freiheit, die gefüllt ist mit verwirrenden religiösen und politischen Weltdeutungen. Auch die Burka ist eine solche Wegmarke. Freilich eine, die nicht akzeptiert werden kann, denn sie ist als Bekleidung wegen ihrer totalen Vermummungswirkung nicht gemeinschaftsfähig.

Nähern wir uns so der Burkafrage, dann können wir darauf verzichten, gläubige muslimische Frauen wieder zu verteufeln.

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