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Gastkommentar: Qualifikation statt Quote

Keine Quote kann ändern, dass Frauen häufig die falsche Entscheidung treffen. Zum Beispiel bei der Wahl des Studienfachs. Nicht eine gesetzliche Quote, sondern die richtige Qualifikation sollte mehr Frauen in Führungspositionen befördern.

Die Hamburger Bürgerschaft hat 121 Mitglieder. Nach der letzten Wahl sind 46 von ihnen Frauen. Weit mehr als 30 Prozent und ohne Quote. Im Bundestag sitzen 33 Prozent Frauen, vor dreißig Jahren waren es nur 8,5. Fünf von 14 Ministern sind weiblich. Geführt wird die Regierung von einer Frau. Allerdings sind nur zwei der 16 Ministerpräsidenten weiblich. Im Bundesverfassungsgericht sind Frauen in beiden Senaten mit jeweils zwei Richterinnen, immerhin mit 25 Prozent, vertreten.

56 Prozent der Abiturienten sind weiblich, aber nur 50 Prozent der Studienanfänger. 42 Prozent der Promotionen werden von Frauen abgeliefert, bloß offensichtlich oft in den falschen Fächern. Viel Medizin, viel Erziehungswissenschaft und gerne auch Germanistik oder Kunstgeschichte. Die Arbeitswelt ist aber linkshirnlastig – Mathematik, Physik und Ingenieurwissenschaften sind gefragt. In diesen Fächern sind die Frauen in der Unterzahl, nicht weil sie dort nicht rein dürfen, sondern weil sie nicht so richtig wollen.

Bei den Habilitationen sinkt die Zahl der Frauen noch einmal dramatisch ab: auf weniger als ein Viertel. Kein statistisches Wunder also, dass sie so wenige Lehrstuhlinhaber in der höchsten Klasse (12 Prozent) stellen. Welche Quote soll das verhindern? Gegen welche Glasdecke sind die Studentinnen in der Uni gestoßen?

In den Musikhochschulen tummeln sich wiederum Frauen in Überzahl. Bei Instrumentalwettbewerben rücken die jungen Geigerinnen in Regimentsstärke ein, bei den Cellisten sind die jungen Männer in der Mehrheit. In den Schauspielschulen studieren mehr Mädchen als Jungen. Wie soll eine Quote das reparieren?

Die TU München gibt sich seit Jahren Mühe, die Anzahl der weiblichen Interessenten für harte Fächer wie Elektrotechnik zu erhöhen, geschafft hat sie es immerhin, deren Anteil in den Ingenieursstudiengängen von rund acht Prozent vor zehn Jahren auf heute zwölf hochzufahren. Amerikanische Langzeitstudien zeigen, dass mathematisch begabte Frauen sich für andere Fächer entscheiden als die Mathe-Cracks unter den Männern. Die Glasdecke kann also nicht der Grund für zu wenige weibliche Bewerber sein; es muss die freie Entscheidung sein. Daran können Girls Days, Mädchen-machen-Technik-Kurse oder Mädchen-Technik-Feriencamps auch nicht viel ändern.

Eine Studie aus Kansas belegt, dass sich Frauen im IT-Feld zurückhalten und dass auch hier die freie Wahl das Phänomen erklärt – und eben nicht die Unverträglichkeit mit Kindererziehung und Familienleben. Glaubt irgendjemand, dass eine gesetzliche Quote die freie Entscheidung einer jungen Frau etwa gegen Medizin und für Physik beeinflussen würde?

Die vielen Abiturientinnen wissen, dass sie sich nicht verstecken und verstellen müssen. Wenn sie sich nach der Schule für Richtungen entscheiden, die oft nicht direkt in Hierarchien der Macht münden, liegt dem nicht Verschwörung, sondern Vorliebe zugrunde. Oft freilich werden diese Entscheidungen auch von dem Wunsch nach einer späteren Verbindung von Arbeit und Familienleben begleitet. Vorbilder wie Professorinnen, Unternehmerinnen, Richterinnen oder Politikerinnen, die die erfolgreiche Balance zwischen Beruf und Leben täglich vorführen, und ernsthafte Nachwuchsförderung sind für die jungen Frauen der bessere Ansporn, als es eine starre Quote wäre.

Eine Frauenquote, wie die Münchner Professorin für Unternehmensfinanzierung, Ann-Kristin Achleitner, zu Recht vermutet, stellt „Frauen unter Generalverdacht“. Der stille Vorwurf, die sitze da nur, weil sie das richtige Geschlecht hat, würde stets mitschwingen. Frauen, die aus eigener Kraft in Hierarchien sitzen, betonen vehement, nur Talent und Professionalität zählten. Indes befürworten auch solche Frauen, dass alles getan werden sollte, junge Frauen zu motivieren, sich in sogenannte Männerdomänen zu wagen.

Frauen in Führungspositionen? Jeder Zeit, aber nur mit der richtigen Qualifikation. Erst die richtige Selbst-Auswahl schafft das richtige Angebot an qualifizierten Frauen. Motivieren, ja; dekretieren, nein.

Die Autorin ist Erziehungswissenschaftlerin und Publizistin.

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