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Hosni Mubarak und Wladimir Putin

© dpa

Gastkommentar: Vorerst keine Rückkehr Russlands nach Ägypten

Die Ankündigung der ägyptischen Übergangsregierung, sich stärker Russland zuzuwenden, wenn westliche Staaten ihre Unterstützung einstellen, ist vor allem ein Versuch, die USA unter Druck zu setzen. Denn Russland ist kein attraktiver Partner.

Seit dem Sturz Mursis sind die westlichen Staaten im Spagat zwischen normativer Kritik und realpolitischem Interesse an Stabilität im Land gefangen. Das Verhältnis zu den neuen Machthabern in Kairo ist angespannt. Dass die USA ein gemeinsames Militärmanöver absagten und die Einstellung ihrer Militärhilfe diskutieren, wurde von Übergangsregierungschef al-Beblawi als "Fehler" gescholten. Letztlich – so drohte er – komme Kairo auch ohne die Hilfe Washingtons aus. Als mögliche Alternative brachte er Moskau ins Spiel, dessen militärische Unterstützung bereits in der Vergangenheit das Überleben Ägyptens gesichert habe. Damit bezog er sich wohl auf die Nasser-Zeit in den 1950er und 1960er Jahren, als Ägypten und die Sowjetunion enge Bindungen pflegten.
Das Interesse der ägyptischen Übergangsregierung an Moskau darf jedoch nicht überbewertet werden. Den Machthabern in Kairo geht es in erster Linie darum, mit der Russland-Karte Zugeständnisse Washingtons zu erzielen. Eine deutliche Ausweitung der ökonomischen und politischen Kooperation mit Russland, geschweige denn eine grundlegende Umorientierung in Richtung Moskau sind jedoch nicht zu erwarten. Hierfür hat das Land schlichtweg zu wenig zu bieten.

Der wirtschaftliche Unterbau der russisch-ägyptischen Beziehungen ist schwach

Wirtschaftlich steht Moskau mit einem Anteil von 2,8 Prozent am Außenhandel Ägyptens nur auf Platz sieben – weit hinter der EU (23 %), aber auch China (8 %), den USA (7 %), der Türkei und Saudi-Arabien (jeweils 4 %). Lediglich in zwei Bereichen nimmt Russland eine Spitzenposition ein: es ist der wichtigste Weizenlieferant Ägyptens und stellt seit Jahren die größte Touristengruppe mit über zwei Millionen Reisenden. Sollte die Reisewarnung, die das Moskauer Außenministerium Mitte August verhängt hat, länger bestehen, könnte dies den wichtigsten Wirtschaftszweig Ägyptens empfindlich treffen.

Davon abgesehen ist der wirtschaftliche Unterbau der russisch-ägyptischen Beziehungen schwach. Vor allem fehlt es Moskau an Kooperationsprojekten von strategischer Bedeutung, durch die es politischen Einfluss gewinnen könnte. Potential dazu besteht bei der zivil genutzten Nuklearenergie und im Rüstungssektor. In beiden Bereichen gehört Russland zu den weltweit größten Anbietern. Im April 2013 hatte Mursi Moskau vorgeschlagen, sich am Bau des geplanten ersten Atomkraftwerks sowie an der Entwicklung der ägyptischen Uranlagerstätten zu beteiligen. Ähnliche Angebote hatte es bereits unter Mubarak gegeben. Doch solange unklar ist, ob Kairo angesichts wirtschaftlicher Schwierigkeiten den Einstieg in die Atomkraft überhaupt schultern kann, liegt dieses Potential einer strategischen Kooperation brach. Auch die Aussichten auf eine verstärkte Rüstungskooperation, wie sie von al-Beblawi ins Gespräch gebracht wurde, dürfen nicht überschätzt werden. Selbst wenn die neuen Machthaber in Kairo militärtechnologisch enger mit Moskau kooperierten, könnte Russland dort mittelfristig nur eine Nische einnehmen. Zu sehr ist das ägyptische Militär bei Ausrüstung und Ausbildung auf Washington ausgerichtet. Zudem wird Russland anders als die USA nicht in der Lage sein, Kooperationsprojekte – im Rüstungsbereich und darüber hinaus – im großen Stil finanziell zu unterstützen. Die Übergangsregierung wird nicht vergessen haben, wie Mursi auf dem Gipfel mit Putin mit seiner Bitte um einen Hilfskredit in Höhe von zwei Milliarden Dollar scheiterte. Mit den Golfmonarchien hat Kairo deutlich attraktivere Finanziers.

Um seine Rolle in der Region zu stärken, müsste Russland aktiv zur Lösung regionaler Probleme beitragen

Auch wenn die Äußerungen al-Beblawis nicht den Beginn einer substantiellen Vertiefung der russisch-ägyptischen Beziehungen anzeigen, werden sie in Moskau doch als wichtiger politischer Punktgewinn interpretiert. Und tatsächlich zeigen sie, dass sich die Wahrnehmung Russlands in der Region verändert hat. Bis vor kurzem sah es noch so aus, als habe Moskau im Zuge des "arabischen Frühlings" einen Großteil seines mühsam seit der Jahrtausendwende wiedergewonnenen Einflusses im Nahen Osten und in Nordafrika verloren. Zu spät hatte es sich auf die Seite der libyschen Opposition gestellt. Zudem hat es mit seiner Schutzmachtrolle für Assad die Beziehungen zu den meisten regionalen Führungen und Gesellschaften belastet. Die Unkenrufe von der russischen Selbstisolation erwiesen sich aber als verfrüht. Zwar bleibt das Verhältnis zu den Golfmonarchien belastet; im Verhältnis zur Türkei, zu Jordanien oder Libyen jedoch konnte Moskau den Schaden begrenzen, indem es den politischen Dialog pflegte und wirtschaftlich kooperierte.

Im arabischen Raum betreibt Moskau eine Politik, die die Verteidigung bestimmter internationaler Prinzipien – wie die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten – mit großer Flexibilität gegenüber den sich schnell ändernden inneren Machtverhältnissen und pragmatischer Interessenpolitik kombiniert. So bemüht sich Moskau um einen politischen Dialog mit den jeweiligen Machthabern, seien es die Muslimbrüder oder die Militärs. Dass Putin Mursi zum Gipfel einlud, ist durchaus bemerkenswert; sind doch die Muslimbrüder in Russland wegen ihrer Unterstützung der tschetschenischen Rebellen als Terrororganisation seit 2003 verboten. Nach dem Sturz Mursis wiederum hielt sich der Kreml entsprechend seiner Nichteinmischungs-Linie mit Kritik am Vorgehen der Militärs zurück.
Dass Moskau in Ägypten und im arabischen Raum wieder stärker wahrgenommen wird und manche seiner anfänglichen politischen Verluste wettmachen konnte, ist nicht nur sein eigenes Verdienst. Es profitiert auch von der Uneinigkeit und den Fehlern der westlichen Staaten. Wenn Russland den Trend zur Rückkehr in die Region festigen möchte, darf es sich aber nicht in erster Linie als Blockademacht hervortun. Vielmehr muss es aktiv zur Lösung der regionalen Probleme – Syrien, israelisch-palästinensischer Konflikt, Iranfrage – beitragen.
Margarete Klein forscht an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) u.a. zu russischer Außen- und Sicherheitspolitik. Die Stiftung berät Bundestag und Bundesregierung in allen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Der Artikel erscheint auf der SWP-Homepage in der Rubrik Kurz gesagt.

Margarete Klein

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